1316 - Vampirhölle
verdammten Wald waren.
Hilflos stand sie auf dem weichen Waldboden. Sie drehte den Kopf. Es war leider nicht feststellbar, aus welcher Richtung sie der Klang der Geige erreichte. Nicht hinter ihrem Rücken, das wusste sie schon. Er wehte von vorn auf sie zu. Nur nicht herauszufinden, ob er nun mehr von rechts oder von links kam.
Und sie sah nichts. Es war zu dunkel. Schatten standen wie eine Wand zwischen den Bäumen. Kein Lichtfunke riss eine Lücke. Es war diese verdammte Finsternis, die alles wie das Maul eines Molochs verschluckt hatte.
Vanessa schloss die Augen. Sie hatte es immer so gehalten, bevor sie anfing, richtig zu spielen. Dabei hatte sie dann ihre Geige gestimmt und sich auf die Melodien konzentriert. Auch hier wollte sie so vorgehen, weil sie daran glaubte, dass sie so die Richtung herausfinden konnte. Sie wollte keine Ablenkung haben.
Konzentration…
Nur dem Spiel lauschend.
Die Augen fest geschlossen…
Sekunden verrannen. Vanessa nahm die Geräusche des Waldes in diesem Zustand noch intensiver auf und hatte das Gefühl, eins mit der Natur zu werden.
Ja, das war die Lösung!
Sie schreckte plötzlich zusammen und riss dabei die Augen auf.
Vanessa wusste Bescheid.
Von vorn erreichten sie die Klänge!
Nicht mal großartig nach links oder rechts versetzt, denn die Klänge wehten direkt auf sie zu und blieben nicht mehr so leise. Sie nahmen an Lautstärke zu. Es waren auch keine Melodien. Was sie da zu hören bekam, sah sie als Folter für ihre Ohren an. Ihre Geige tat ihr Leid, doch das musste jetzt unwichtig sein.
Sie riss die Augen wieder auf.
Das Bild war das Gleiche geblieben. Nichts hatte sich verändert.
Sie sah auch niemanden durch den Wald gehen. Sie hörte keine Schrittgeräusche, denn der schrille Klang des Instruments überdeckte alles.
Aber die schrille Musik war lauter geworden. Also war der Spieler oder die Spielerin bereits nahe.
Weg! Auf einmal war die Musik verstummt!
Stille trat wieder ein. Sie kam Vanessa so anders vor. Sie war einfach bedrückend und enthielt eine schlimme Botschaft. Sie machte Vanessa klar, dass ihre Chancen verdammt gering waren.
Die Flucht konnte sie nicht mehr durchziehen. Mike und Mona hatten sie gefunden, obwohl sie die beiden nicht sah. Sie hatten sie laufen lassen und dann kurzerhand ihr Spiel mit ihr getrieben.
Vanessa war klar, dass sie nicht mehr wegkam.
Die flüsternde Stimme hörte sie hinter ihrem Rücken. »Möchtest du nicht deine Geige zurückhaben, Vanessa…?«
Es war aus!
Mike hatte sie gefunden. Mit einem leisen Schrei auf den Lippen sackte sie zusammen und bekam kaum mit, dass eine Hand nach ihr griff und sie auffing…
***
Wir fuhren durch die Nacht in Richtung Südwesten. Dort befanden sich große Wasserreservoire, aber auch Klärwerke. Sie einzeln abzusuchen, hätte Stunden gekostet. Zum Glück wussten wir, dass es in der Nähe eines bestimmten Klärwerks diese Kapelle gab, und über sie hatten wir uns genügend Gedanken gemacht.
Wie kam eine Kapelle dorthin? Sie stand schon länger und hatte sich möglicherweise in Privatbesitz befunden. Es hatte immer wieder Menschen gegeben, die sich auf ihrem Grund und Boden eine Kapelle hatte bauen lassen. Und es gab sie noch. Da brauchte ich nur an die Sängerin Jennifer Lopez zu denken, die sich für ihre Hochzeit eine eigene Kapelle bauen lassen wollte.
Dass Suko fuhr, darüber war ich froh, denn ich litt noch immer unter den Nachwirkungen der Attacken. Sie hatten mich doch härter getroffen, als ich zugeben wollte. Aus dem Handschuhfach hatte ich zwei Aspirin genommen und hoffte, dass die Schmerzen in der unteren Hälfte des Kopfes nachließen und ich mich besser konzentrieren konnte.
Den Weg fanden wir. Der Bildschirm im Wagen war mit dem Satellitenleitsystem verbunden, aber die letzte Strecke mussten wir schon suchen, denn Feldwege kannte die weibliche Computerstimme nicht. Das Klärwerk fanden wir schnell und stoppten vor einem großen Gittertor.
»Ich denke, wir sollten uns erkundigen«, schlug Suko vor.
»Übernimm du das.«
Er warf mir einen schrägen Blick zu, enthielt sich jedoch eines Kommentars. Ich wusste, was in seinem Kopf vorging. Sicherlich fragte er sich, ob ich fit genug für eine Auseinandersetzung mit den Prinzen und auch möglicherweise mit Justine Cavallo war. Das war ich. Wenn es hart auf hart kam, dachte ich nur an den Sieg.
Hinter dem Tor befand sich das Haus eines Wachtpostens. Vom Klärwerk selbst sah ich nichts. Hohe Bäume, hinter denen es
Weitere Kostenlose Bücher