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1317 - Die Orphischen Labyrinthe

Titel: 1317 - Die Orphischen Labyrinthe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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kamen. Es hörte sich ganz so an, als würde irgendein Ungeheuer seinen Gefährten bedrohen. Vielleicht sogar einer der Kannibalen, die nicht davor zurückschreckten, andere Lebewesen zu reißen.
    Rhodan kletterte, so rasch er konnte, eine Felswand hinauf. Wieder war ein zorniges Knurren zu hören, dem ein ersterbendes Winseln folgte. Die Geräusche kamen schon von ganz nahe, ihr Ursprung war direkt über ihm.
    Mit einem gewaltigen Satz schwang sich Rhodan über einen Felsvorsprung auf eine Plattform. Und da sah er die beiden Kämpfenden vor sich. Das Bossem und ... ein zierliches, pflanzenähnliches Geschöpf, das sich mit zerzausten Schlingarmen verzweifelt gegen die Attacken des außer sich geratenen Bossems wehrte.
    „Akkarr!" rief Rhodan entsetzt.
    Das Bessern knurrte, versuchte, ihn mit Flügelschlägen zu verscheuchen.
    „Hau ab!" schrie Akkarr. „Ich laß mir die Beute nicht entreißen. Ich brauche Nahrung..."
    Rhodan sprang Akkarr an, packte ihn an den Ansätzen der Flügel und klappte sie zusammen. Dann griff er mit der anderen Pranke nach Akkarrs Schnabel und trieb ihm die Faust hinein, daß er ihn nicht mehr schließen konnte.
    Das verwundete, pflanzenähnliche Wesen befreite sich aus den Bossemklauen, schleppte sich an seinen Schlingarmen fort und verschwand in einer Felsspalte.
    Akkarr schrie vor Wut. Als Rhodan ihn losließ, sackte er kraftlos zusammen.
    „Warum hast du mir die Beute abgejagt", rief Akkarr anklagend. „Jetzt muß ich sterben.
    Ich werde verhungern."
    „Dann gehörst du auch zu den Kannibalen", sagte Rhodan enttäuscht. „Ich hätte dich höher eingeschätzt, Akkarr. Ich habe geglaubt, daß du dich an die Gebote des Missionars hältst."
    „Du Narr, was weißt du schon von den Gesetzen des Labyrinths", schimpfte Akkarr.
    „Hier heißt es, fressen oder gefressen werden. Ich bin darum kein Kannibale. Ich bin nur ein Glied in dieser Lebenskette, und es ist ganz natürlich, daß der Stärkere den Schwächeren frißt."
    „Dann hast du die Lehren des Missionars nicht verstanden", sagte Rhodan bedauernd.
    „Weißt du überhaupt, warum er das Verbot, sich an anderen Lebewesen zu vergreifen, erlassen hat?"
    „Ich pfeife drauf, sagte Akkarr schwach. „Ich möchte überleben."
    „Du kannst dich auf die gleiche Weise ernähren wie ich", sagte Rhodan geduldig. „Alles, was die Labyrinthwelt hervorbringt, ist für uns genießbar. Das bringt die Transmutation so mit sich. Das meint der Missionar mit den Früchten der Labyrinthwelt. Die Wesen, die diese Pararealität bevölkern, stammen dagegen aus deiner Welt, der Realität. Sie sind deine Brüder, Akkarr. Jedes Lebewesen, und sei es ein noch so furchtbar anzusehendes Ungeheuer, ist ein Intelligenzwesen wie du. Im Standarduniversum würdest du dich auch nicht an einem Artgenossen vergreifen, um deinen Hunger zu stillen. Du bist doch kein Kannibale!"
    „Verdammt!" schrie Akkarr zornig. „Was versuchst du mir da einzureden. Hätte ich mich dieser hinterhältigen Sleiya als Mahlzeit anbieten sollen? Sei gewiß, daß sie das Angebot nicht abgelehnt hätte. Eine so leichte Beute finde ich nicht so rasch wieder."
    „Wenn du dem Kannibalismus nicht entsagst, dann trennen sich unsere Wege", erklärte Rhodan.
    „Ich kann doch nicht zum Staubfresser werden", jammerte Akkarr.
    „Dann mußt du sehen, wie du allein zurecht kommst."
    „Dein letztes Wort?"
    „Mein letztes Wort!"
    Das Bossem machte sich ganz klein.
    „Ich wünschte, ich würde auf der Stelle austrocknen", sagte Akkarr. Er seufzte. „Meinetwegen, ich werde versuchen, die Sache durchzustehen. Übrigens, wir sind dem Revier der Sektierer schon ganz nahe."
     
    *
     
    Rhodan ließ von da an das Bossem nicht mehr aus den Augen. Er glaubte nicht, daß seine Moralpredigt etwas genutzt hatte und Akkarr dem Genuß von Fleisch aus ethischen Gründen entsagen würde. Akkarr war schön zu lange im Orphischen Labyrinth, und er hatte keine Erinnerung mehr an sein früheres Leben, er wußte nichts über seine Herkunft, hatte keine Ahnung, welchem Volk er früher angehört hatte. Es war ein Wunder, daß er die Gabe des Sprechens nicht verloren hatte.
    Vielleicht, so dachte Rhodan, war es noch nicht zu spät, Akkarr doch noch zu bekehren.
    Aber das würde ein langwieriger Prozeß sein. Im Augenblick war Akkarr nur zu schwach, um auf Beutesuche zu gehen, und er war noch genügend bei Verstand, das einzusehen und darum bei ihm, Rhodan, zu bleiben. Akkarr blieb aus Vernunftgründen bei ihm, weil

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