132 - Die Seelenfänger
Schaufel?"
„Du ahnst es sicher, Ramon Loyola", erwiderte Coco und fügte erklärend hinzu: „Dich auf meine Weise von dem Fluch befreien!"
„Mein Verbündeter wird nicht zulassen, daß du das Auslaufen des Schiffes verhinderst…"
Coco baute sofort wieder das Zeitfeld um sich auf. Und dann begann sie zu schaufeln. Während sie sich mit der harten Erde abmühte, sah sie im Hintergrund die gespenstische Erscheinung durch die erstarrten Nebelschleier.
Coco verausgabte sich ganz. Sie mußte sich beeilen, um das Werk zu vollenden, bevor die Fackel abgebrannt war. Zudem wurde sie zweifach belastet. Zum einen war sie diese schwere körperliche Arbeit nicht gewöhnt, und zum anderen zehrte der Gebrauch ihrer Fähigkeit an ihrer körperlichen Substanz.
Als sie bereits einen Meter tief gegraben hatte, mußte sie eine Pause einlegen und in den normalen Zeitablauf zurückkehren.
„Da ist sie!" hörte sie Loyolas schrille Stimme sofort. „Das ist die Hexe. Tötet sie!"
Coco hatte keine Ahnung, wen der Magier zu Hilfe gerufen hatte. Sie wollte es auch gar nicht wissen und versetzte sich sofort wieder in den schnelleren Zeitablauf.
Endlich stieß sie auf die morschen Reste eines Sarges. Darunter kam ein Körper zum Vorschein. Es war der Körper des Magiers, des verräterischen Ramon Loyola, wie sie ihn im Hotel kennengelernt hatte. Er hatte die Jahrhunderte überdauert, ohne zu verwesen… der Fluch hatte den Leichnam frisch erhalten.
Ohne lange zu überlegen, holte Coco den Kommandostab hervor, den Dorian ihr überlassen hatte. „Ich erlöse dich von deinem Fluch Ramon Loyola", sagte sie und vollendete das Werk.
Coco kletterte danach aus dem Grab und sank erschöpft in sich zusammen.
Ein schriller Schrei geisterte durch die Nacht. Ein Sturm kam auf, zerriß den Nebel und die geisterhafte Erscheinung. Aus dem Grab schoß eine meterhohe Flammensäule in den Himmel.
Coco entspannte sich.
Sie hatte alles getan, um den Fluch zu bannen. Sie hoffte nur, daß es für Dorian nicht zu spät war. Coco raffte sich auf und wankte in die Richtung, in der die Zitadelle liegen mußte.
Es war zum Verrücktwerden.
Dorian konnte Schritte und Stimmen hören und andere Geräusche, wie sie entstanden, wenn Menschen in Bewegung waren. Er spürte sogar die Nähe von Personen. Er wurde gestoßen und in eine bestimmte Richtung gedrängt.
Aber er konnte niemanden sehen.
„Halt!"
Der Dämonenkiller konnte sich nicht gegen diesen Befehl auflehnen. Er mußte gehorchen. Die Arme wurden ihm mit unsichtbaren Fesseln auf den Rücken gebunden. Vor ihm tauchte die Zitadelle auf. Dorian wurde durch das Tor geführt und dann zum linken Turm. Er betrat ihn. Es war ständig jemand um ihn. Er hörte es, er spürte es.
Dorian wurde genötigt, denselben Weg zu gehen, den er schon einmal gegangen war. Damals hatte ihn in der Turmkammer Olivaro erwartet. Und diesmal?
Er stieg über die Treppe in den Turm hoch.
Als Dorian über die Leiter durch die Bodenluke kletterte, erkannte er auf den ersten Blick, daß der Raum leer war. Sonst hatte sich nichts verändert. Die brennende Kerze stand noch auf ihrem Platz. Und auch das Tintenfaß mit dem Federkiel war da.
„Wir bringen ein neues Mannschaftsmitglied."
„Name?"
Dorian konnte nicht anders, als wahrheitsgetreu zu antworten:
„Dorian Hunter."
„Für den Dienst auf See tauglich."
Dorian bekam einen Stoß in die Seite. Er wurde wieder zur Luke gedrängt. Es kostete ihn einige Mühe, mit auf den Rücken gefesselten Armen, die Leiter hinunterzusteigen.
„Bringt den Neuen an Bord."
Schwere Stiefel trampelten um ihn. Einmal verspürte Dorian einen Stoß, als würde ihm jemand einen Gewehrkolben in den Rücken stoßen.
„Jetzt geht es auf große Fahrt."
Dorian erreichte das Ende des Stiegenhauses und wurde durch die Tür ins Freie gedrängt.
„Die Weltmeere gehören uns!"
„Ist die Mannschaft vollzählig?"
„Nein, noch nicht. Ein Mann stößt noch hier zu uns. Zehn weitere sollen an anderer Stelle angeheuert werden. Dann sind wir komplett und können auf große Fahrt gehen." Salutschüsse krachten.
Plötzlich herrschte ein heilloses Durcheinander.
„Hinaus aus der Zitadelle! Hier sitzen wir in der Falle!"
„Was ist los?"
„Die Engländer…"
Dorian verfiel unwillkürlich in Laufschritt.
Säbelgerassel.
Schüsse.
Schreie.
„Fort von hier!"
Der Boden wurde wie von einem Erdbeben erschüttert. Durch den Nebel sah Dorian, wie sich ein Turm des Kastells zur Seite
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