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1322 - Das Grauen von St. Severin

1322 - Das Grauen von St. Severin

Titel: 1322 - Das Grauen von St. Severin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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gefunden hatten und auf der auch eine schmale Bank stand, die unbesetzt war.
    Claas drehte sich noch mal um. Der Blick schweifte über das Watt hinweg. Noch war es hell. Die Dunkelheit war bereits zu ahnen.
    Der Mond zeichnete sich als blasses Gespenst am Himmel ab. Erste Sterne umgaben ihn. Im Westen versuchte die Sonne das Eintauchen ins Meer zu verhindern, was ihr nie gelingen würde, obwohl sie jeden Abend diesen Kampf führte. Mal früher, mal später.
    Für manche Menschen war ein Sonnenuntergang auf Sylt ebenso fantastisch wie der in den südlichen Ländern. Claas hatte an diesem Tag dafür keinen Blick. Er gab sich einen Ruck und wanderte mit zügigen Schritten auf die Kirche zu, deren Turm er vor sich sah.
    Wie ein langer Arm ragte er in die Höhe. Der Bau stand perfekt auf einer Hügelkuppe. Er war schon von weitem zu sehen, als hätte der Herrgott seinen eigenen Leuchtturm auf die Insel platziert.
    Wenig später hatte er die Straße erreicht, die am Kirchengelände vorbeiführte. Links machte die Fahrbahn einen Bogen. Da führte sie direkt nach Keitum hinein. Um diese Zeit konnte die Insel aufatmen. Da schmolz selbst der Verkehr zusammen. Es fuhren nur noch wenige Fahrzeuge, in denen Menschen saßen, die vom Essen kamen. Hier oben an der Kirche weniger, weil es hier keine Lokale gab.
    Mit schnellen Schritten überquerte der Hotelier die Straße. Er erreichte einen Parkplatz, auf dem wie verloren der Lieferwagen einer Gärtnerei stand. Über die Ränder der Ladefläche schauten die Griffe und Stiele der Schaufeln, Spaten und Hacken hervor. Auch eine Schubkarre hatte dort ihren Platz gefunden.
    Das kleine Tor war nicht abgeschlossen und Claas Claasen betrat den Friedhof.
    Es war ihm, als hätte er ein völlig fremdes Gebiet betreten. Weg aus der gewohnten Umgebung und hinein in die Fremde, an die sich der Ankömmling erst noch gewöhnen musste.
    Es ging nicht um das äußere Aussehen, sondern einzig und allein um das Gefühl. An der Kirche lag es nicht. Es ging um den Friedhof, der die Kirche umgab.
    St. Severin gehörte zu den Ruhestätten, die eine gewisse Berühmtheit erlangt hatten. Erst vor einigen Monaten noch war hier ein mächtiger Mann der deutschen Medienlandschaft begraben worden.
    Um den Mönch zu erreichen, musste Claas nicht über den Friedhof gehen. Er konnte an der breiten Seite der Kirche entlanggehen.
    Da standen dann die alten Grabsteine der Gräber, die schon hunderte von Jahren alt waren. Man hatte die Steine sehr sorgfältig restauriert. Sie wurden gepflegt, und es war den Menschen gelungen, auch die alten Inschriften wieder sicht- und lesbar zu machen.
    Es war der perfekte Ort. Sie wurden dort auch in Ruhe gelassen.
    Es gab keine Frevler, die sie beschädigten. So waren und blieben sie stumme Zeugen einer Epoche, an die sich kein Mensch mehr erinnerte, die aber trotzdem lebendig war.
    Claas ging jetzt langsamer. Er kannte den Grund selbst nicht. Etwas hielt ihn davon ab, mit großen Schritten zu laufen. Er schaute auch nicht nach rechts, um die Kirche St. Severin zu bewundern, bei ihm hatte sich einiges verändert. Wenn er gekonnt hätte, dann hätte er versucht, die Kirche wegzuzaubern. Er mochte sie plötzlich nicht mehr. In seinem Innern hatte sich ein Widerstand aufgebaut, gegen den er selbst nicht ankam. Er mochte diesen Ort des Friedens nicht.
    Der Blick auf die Kirche bereitete ihm körperliches Unbehagen. Er fühlte sich wie ein Fremder und zugleich wie jemand, der gezwungen wird, einen bestimmten Weg zu gehen, ohne sich dagegen wehren zu können.
    Stumm blieben die Grabsteine. Alte, verwitterte Zeugen, hinter denen eine Hecke hochwuchs und auch Buschwerk. Beides warf Schatten auf die Steine und wenn der leichte Wind die Zweige bewegte, bewegten sich auch die Schatten, die dann wie lebendige Wesen über das alte Gestein tanzten.
    Manchmal, wenn ein voller Mond in einer bestimmten Zeitspanne günstig stand und sein Licht auf die Gräber warf, überzog er sie mit einem blassen Leichentuch, das wie eine dünne fahle Decke wirkte, die längst vermoderte Leichen schützte.
    Dass er langsamer ging als vorhin, fiel ihm erst später auf. Langsamer und vorsichtiger. Wohl fühlte er sich nicht. Obgleich die Luft sich abgekühlt hatte und ihn auch der Abendwind streichelte, war seine Haut verschwitzt. Claasen begleitete die Aura des Unheimlichen. Allein auf einem Friedhof im Schatten einer alten Fischerkirche, da kam ihm vieles in den Sinn, vor dem er sich schon als Kind manchmal

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