1323 - Vampir-Monster
darin. Ein richtiges Haigebiss, dachte sie und schauderte zusammen. Das fliegende Untier bewegte seine Schwingen nur sehr sacht. Es war für es einfach, sich in dieser Stellung zu halten.
Die Sekunden tropften dahin. Wie viele vergingen, wusste Sarah nicht. Ihr war das Gefühl für Zeit verloren gegangen.
Eine innere Stimme drängte sie, endlich John Sinclair anzurufen.
Aber es gab auch eine zweite Stimme, die sie drängte, sich zurückzuhalten, um nicht die Aufmerksamkeit des Monsters zu erregen.
Es glotzte noch immer in das Haus.
»Hau ab!«, flüsterte Sarah, »flieg endlich weg!« In den letzten Sekunden war sie stark ins Schwitzen gekommen. Auf ihrem Rücken rann der Schweiß als kalte Kügelchen entlang. Er lag auch auf ihrem Gesicht, und sie spürte ihn ebenfalls an den Händen.
Das Monster schien sie gehört zu haben. Sarah konnte es kaum glauben, doch nach einer recht heftigen Bewegung der beiden Flügel war es verschwunden.
Für einen Moment schloss die Horror-Oma die Augen. Sicher fühlte sie sich nicht. Sie war nur froh, dieses hässliche Ding nicht mehr sehen zu müssen und sich wieder ihrem Anruf widmen zu können.
Manchmal kann das Schicksal grausam sein. Und manchmal will es auch einen Schlussstrich ziehen.
Ein Geräusch, das zwischen Klirren und Platzen lag, schreckte die alte Frau auf. Sie hob den Kopf, schaute zum Fenster und hatte das Gefühl, dass ihr Leben ab jetzt im Zeitlupentempo ablief.
Sie schaute den Scherben entgegen, die nach innen fielen. Sie sah das Loch und dahinter das Monster, aber auch noch ein zweites, das im Rückraum lauerte.
Der Weg war frei.
Sarah schrie nicht. Ihre Kehle war trocken geworden. Sie konnte das erste Monster nicht aufhalten, das sich durch die Fensteröffnung drückte und von der inneren Bank her fast wie ein Hase in das Haus hineinsprang.
Zwei Vasen gingen zu Bruch. Eine Schale fiel zu Boden. Eine Vase mit Blumen kippte ebenfalls um. Wasser lief in den Teppich hinein, und erst jetzt wurde der Horror-Oma klar, in welch einer Gefahr sie wirklich steckte.
Wenn sie sich im Freien bewegte, nahm sie ihren Stock mit. Dass er neben dem Sessel stand, in dem sie gehockt hatte, glich einem Zufall. Aber sie fand es gut, denn der Stock war die einzige Waffe, mit der sie sich wehren konnte.
Sarah Goldwyn umfasste den Griff mit beiden Händen und wuchtete den Stock hoch. Sie wollte ihn so fest wie möglich halten.
Wenn sie sich verteidigte, sollte keiner ihrer Arme einknicken.
Der unheimliche Eindringling hatte nicht sofort Kurs auf sie genommen, sondern flatterte im Zimmer umher, wobei er sich dicht unter der Decke hielt. Wahrscheinlich suchte er eine günstige Angriffsposition. Wäre diese Szene als Film im Kino gelaufen, hätten sicherlich einige Zuschauer gelacht, aber Sarah war danach nicht zu Mute. Sie hatte sich breitbeinig hingestellt, um die nötige Standfestigkeit zu bekommen. Der Stock wies dabei schräg in die Höhe, mit der Spitze zielte sie gegen den Bauch des Monstrums.
Der Angriff!
Schnell und von einem schrillen Schrei begleitet. Hätte Lady Sarah anders gestanden, sie wäre nicht in der Lage gewesen, so schnell zu reagieren wie jetzt. So ließ sie das Vampirmonster kommen und gab sich selbst durch einen Schrei den nötigen Ansporn.
Dann rammte sie das Ende des Stocks gegen die Unterseite des Körpers. Sie wünschte sich dabei, dass sich der Stock in eine Lanze verwandelte, doch der Gefallen wurde ihr nicht getan.
Sarah spürte den Gegendruck. Sie musste etwas zurückweichen, aber sie hielt ihren Stock fest und drückte noch mal nach, damit diese fliegende Bestie weg von ihr kam.
Was sie nicht für möglich gehalten hatte, trat ein. Das widerliche Wesen kippte zur linken Seite hinweg und fiel dem Fußboden entgegen. Dass es dort nicht landete, lag an den schnellen Bewegungen der Schwingen. Aber es war im Zimmer zu eng. Außerdem standen viele Möbel herum, und so schlugen die Schwingen dagegen, was für das Vampirmonster hinderlich war.
Sarah bekam Luft. Zwar sah sie auch das zweite Monstrum nahe des Fensters, aber darum wollte sie sich jetzt nicht kümmern. Sie musste die Zeit zur Flucht nutzen und wollte es auch schaffen, sich hier im Haus zu verstecken. Zumindest für eine Weile, die ausreichte, um Hilfe zu holen. Sie dachte dabei an die Polizei und die Feuerwehr.
Wäre sie 40 Jahre jünger gewesen, hätte sie kein Problem damit gehabt. In ihrem Alter allerdings trugen sie die Beine nicht mehr so schnell, auch wenn sie den Stock
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