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1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd

1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd

Titel: 1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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die vom langen Weinen geröteten Augen.
    Aus ihnen starrte er gegen den leeren Glaskrug, der Sekunden später gegen einen vollen ausgetauscht wurde.
    »So, Mr. Hilton, das Bier.«
    »Danke.«
    Der Wirt blieb für einen Moment stehen, dann setzte er sich auf einen freien Stuhl am Tisch. Erst als Harry Hilton einen kräftigen Schluck getrunken hatte, stellte er ihm eine Frage.
    »Wollen Sie wirklich noch bleiben?«
    Traurig schaute Hilton den Mann mit der Lederweste an. »Ja, ich möchte, ich will und ich muss noch bleiben. Etwas anderes könnte ich vor mir selbst nicht verantworten. Sie wissen selbst, was hier passiert ist, und Sie wissen auch, dass die Polizei es nicht geschafft hat, eine Spur zu finden. Aber es muss eine geben. Dessen bin ich mir sicher. Vielleicht muss man nur mit einem anderen Denken an die Sache gehen.«
    »Mit welchem denn?«
    »Sich öffnen, zum Beispiel.«
    Der Wirt hob seine dunklen Augenbrauen. »Sorry, aber damit kann ich nichts anfangen.«
    »Ich kann es Ihnen auch nicht näher erklären. Möglicherweise muss man Dinge akzeptieren, die man ansonsten in die Ecke stellt und über die man lacht. Sie wissen, wie meine Braut umkam. Das ist nicht normal. Hätte man sie mit einem Messer oder einer Schusswaffe getötet, wäre das auch schlimm gewesen, aber so kann ich das nicht akzeptieren, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Sie wollen also Aufklärung.«
    »Sicher.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Ed leise, »soll man manche Dinge nicht lieber ruhen lassen?«
    »Schon. Das wird in unserer Gesellschaft ja oft genug getan. Aber nicht bei mir. Nicht bei diesem unerklärlichen Vorgang. Das ist etwas anderes. Da will ich einfach hinter die Tür schauen. Ich kann nicht akzeptieren, wie meine Braut ums Leben gekommen ist. Ich würde meines Lebens nicht mehr froh werden, wenn ich jetzt nichts tue. Und deshalb bleibe ich noch hier. Wenn es sein muss auch die nächsten zehn Nächte. Ich will einfach Gewissheit haben.«
    Das faltige Gesicht des Schlosswirts hatte einen sehr ernsten und auch mitleidigen Ausdruck angenommen. »Sie haben Ihre junge Braut sehr geliebt, nicht wahr?«
    »Das können Sie laut sagen.«
    »Fürchten Sie sich nicht davor, dass Ihnen das Gleiche passieren könnte?«
    »Darüber denke ich nicht nach.«
    »Das sollten Sie aber. Ich möchte nämlich keinen zweiten Toten hier haben. So etwas ist schlecht fürs Geschäft. Nur keinen Katastrophentourismus.«
    »Keine Angst, den werden Sie nicht bekommen, auch wenn man daran gut verdienen kann.«
    »Darauf verzichte ich sogar.«
    Von einem Tisch her wurde nach dem Wirt gerufen. Er stand auf und ließ Harry Hilton allein zurück.
    Er wollte sich nicht betrinken, aber er brauchte noch ein Glas. Es war draußen einfach wieder zu warm geworden. Die Sonne bewies mit aller Kraft, dass der Sommer noch nicht beendet war.
    Hilton trank. Das Bier löschte zwar einen Teil des Durstes, aber Geschmack fand er nicht daran. Es kam ihm abgestanden vor. Ebenso wie sein Leben. Auch das sah er als fade, öd und leer an. Es gab einfach keine Sonne mehr darin, denn die hatte man ihm brutal genommen.
    Bis auf einen fingerhohen Rest leerte er das Glas, stemmte die Hände auf die Platte des rustikalen Tischs und erhob sich mit den schwerfälligen Bewegungen eines von Rheuma geplagten Menschen.
    Alles an ihm fühlte sich schwer an. Der Kopf, die Beine, auch die Arme.
    Noch immer schien die Sonne. Er blinzelte und drehte den Kopf zur Seite. Dann legte er einen Geldschein auf den Tisch. Mit müden Schritten ging er zum Ausgang. Ein Teil der Gastwirtschaft lag im Schatten. Er freute sich über den ersten kühlen Gruß, der ihn erreichte und den Schweiß auf dem Gesicht zu einer klebrigen Schicht werden ließ.
    Um den Schlosshof zu erreichen, musste er eine Treppe mit unebenen Stufen hinabgehen. Hier blendete ihn die Sonne nicht so sehr. Ein dicker Baum nahm ihr einen Teil der Kraft und spendete einen wunderbaren Schatten.
    Vor ihm lag der Hof und auch der Bau auf der gegenüberliegenden Seite. Er war flach und darin befand sich ebenfalls ein Restaurant, das zugleich als Frühstücksraum für die Hotelgäste galt, denn die Schlossschänke wurde von Ed autark geführt.
    Harry Hilton schwankte etwas. Die Krüge Bier waren etwas viel gewesen. Hinzu kam die Wärme, die sich wie ein Dunst auf dem Schlosshof ausgebreitet hatte.
    Auf der letzten Stufe blieb er stehen und schaute sich das Pflaster an, das für alte Menschen, die schlecht liefen, nicht geschaffen war.
    Die

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