1341 - Die Wiege des Kretins
Gedanken gemacht. »Ich will nicht verallgemeinern, aber man hört und liest immer wieder, dass in Krankenhäusern manchmal etwas vertuscht werden soll. Irgendwelche Kunstfehler von Ärzten. Geburten, die eigentlich nicht hätten stattfinden sollen und so weiter. Ich finde, dass auch dieses Krankenhaus davon betroffen sein könnte.«
So abwegig war der Gedanke nicht. Ich hatte trotzdem einen Einwand und sagte: »Dann müsste die Ärzteschaft informiert worden sein, finde ich.«
»Ja, möglich. Wir sollten Fragen stellen.« Suko deutete zur Tür.
»Mit Dr. Muhani fangen wir an.«
»Werden wir auch«, bestätigte ich. »Nur will mir dieser Geist nicht aus dem Kopf. Damit habe ich meine Probleme.«
»Ich weiß nicht, wer er war, John«, flüsterte Godwin. »Ich will auch nicht länger hier bleiben. Ich möchte zurück in das Kloster. Hier bin ich nicht sicher und dort…«
Ich unterbrach ihn. »Dir ist bekannt, was dort geschah?«
Er senkte den Blick.
Ich sprach weiter. »Es ist zwar möglich, dort zu wohnen, aber du wirst keinen Komfort haben. Es gibt dort kein Licht mehr. Die Bombe hat vieles zerstört. Der Aufbau muss erst langsam beginnen. Da wird es besser sein, wenn du zunächst mal woanders bleibst. Und wenn es eben dieses Krankenhaus ist.«
Godwin war stur. »Nein, und abermals nein«, erklärte er. »Ich kann hier nicht länger bleiben. Ich will Kontakt zu meinen Freunden haben. Ich möchte mit ihnen reden, denn gemeinsames Leid ist auch geteiltes Leid. Hier gehe ich ein, versteht ihr? Hier trockne ich aus.«
Ja, das verstanden wir. Wir wussten auch nicht, ob das Krankenhaus wirklich der richtige Ort für ihn war, aber was sollten wir machen? Wir waren nicht seine Eltern. Wenn er das Krankenhaus verlassen wollte, würden wir ihn begleiten.
Wir sprachen über unsere nächsten Schritte und kamen auch zu einem Ergebnis. Suko wollte im Krankenzimmer bei unserem Freund bleiben. Ich hatte vor, mit Dr. Muhani zu sprechen, weil ich mir vorstellen konnte, dass er doch mehr über das Krankenhaus wusste, als er bisher zugegeben hatte. Diese Wiege war ja nicht hingezaubert worden.
»Geh du«, sagte Suko. »Der Abend ist noch früh. Vielleicht kommen wir so weiter.«
»Bis gleich dann.«
***
Mittlerweile war dieses Krankenhaus beinahe zu meiner zweiten Heimat geworden. Die Gesichter der Schwestern waren mir bekannt, ich kannte auch einige Ärzte, aber Dr. Muhani war für mich der eigentliche Ansprechpartner. Zudem fungierte er in dieser Abteilung als Oberarzt und hatte demnach etwas zu sagen.
Er hatte sich uns gegenüber eigentlich recht hilfsbereit gezeigt, und auch Godwin konnte nicht über ihn klagen, aber ich hatte trotzdem gewisse Bedenken, die ich ausräumen wollte. Dazu musste ich mich mit ihm unterhalten.
Ich fand ihn wieder in seinem Büro. Als ich es betrat, glaubte ich, ein leichtes Erschrecken auf seinem Gesicht zu sehen. Er fing sich wieder schnell und lächelte.
»Nehmen Sie Platz, Monsieur Sinclair.«
Ich setzte mich auf einen freien Stuhl.
Der Arzt schaute mich an. Die Unsicherheit in seinem Blick konnte er nicht überspielen. »Sie waren unten im Keller. In dem ursprünglichen, von dem ich Ihnen berichtete?«
»Das war ich tatsächlich.«
Er schwieg und schluckte. Dann flüsterte er: »Und? Was ist dort alles passiert?«
»Darüber möchte ich mit Ihnen reden, Doktor.«
Er winkte ab und lachte dabei unecht. »Bitte, ich kenne mich dort einfach nicht aus. Gehört habe ich davon, aber es hat mich nie hineingetrieben.«
»Dann wissen Sie auch nicht, was wir dort gefunden haben? Oder können es sich vorstellen?«
»Nein, das weiß ich nicht.«
Ich erklärte es ihm und ließ ihn nicht aus den Augen. Je länger ich sprach, umso mehr veränderte er seine Haltung. Er konnte mir nicht mehr ins Gesicht sehen. Seine Lippen bewegten sich, ohne dass er ein Wort sprach, und für mich stand fest, dass er all dies, was er von mir hörte, schon vorher gewusst hatte.
»Und jetzt, Doktor, will ich von Ihnen die Wahrheit wissen. Die ganze Wahrheit, verstehen Sie?«
Er fuhr mit seinem Stuhl etwas zurück. »Die Wahrheit habe ich Ihnen bereits gesagt.«
»Ja. Ihre Wahrheit. Die Wahrheit, die Sie sagen konnten oder durften. Aber das ist nicht diejenige, die ich hören will. Ich denke, Sie verstehen mich.«
»Nein, nicht…«
»Hören Sie doch auf. Sie wussten Bescheid, was uns dort unten erwarten würde. Sicherlich haben Sie gehofft, dass wir es nicht überstehen, aber da haben Sie sich geirrt. Wer
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