1341 - Die Wiege des Kretins
Templerführer nieder. Erst als er saß, erzählte ich den beiden, was mir widerfahren war und wie knapp ich einer Verletzung oder sogar dem Tod entgangen war.
»Der Arzt?«, flüsterte Godwin, der mir ebenfalls zugehört hatte.
»Ja. Das war kein Zwillingsbruder von ihm.«
»Wie kommt er denn dazu?«
»Er war ein Teil des Plans, den unsere Freunde van Akkeren und Saladin gestrickt haben. In diesem Fall ist es Saladin gewesen. Aber er arbeitet ja nicht allein.«
»Das ist wohl wahr.«
Suko schaute mich an. Er stellte eine Frage, und seine Stimme klang dabei verdammt ernst. »Das hätte auch ins Auge gehen können, denke ich mal. Ich meine, wenn du es nicht rechtzeitig genug gemerkt hättest. Das Krankenhaus hier hätte zu einer Hölle werden können. Unten hielt man diesen Kretin versteckt, und wenn es dann hart auf hart gekommen wäre, hätte er dieses Tier geholt und auf den Stationen freigelassen. So wäre ein dämonischer Keim weitergetragen worden, und man hätte das Krankenhaus als eine dämonische Brutstätte ansehen müssen.«
»Das stimmt.«
»Du siehst trotzdem nicht glücklich aus, John.«
Jetzt musste ich lachen. »Sorry, aber das kann ich nicht sein. Einmal haben wir etwas verhindern können. Wann Saladin und van Akkeren wieder zuschlagen, kann keiner von uns sagen. Ich bin der Ansicht, dass sie sich hier in der Gegend festsetzen werden. Mit dem Schwarzen Tod als große Rückendeckung. Und dann kann sich van Akkeren seinen alten Traum erfüllen und die Führung der noch verbliebenen Templer übernehmen, wobei er sie möglicherweise mit den Baphomet-Templern vermischt. So und nicht anders sind die Aussichten für die Zukunft, wie ich sie sehe. Wir sind erwachsene Menschen. Ich will nichts beschönigen.«
Es waren harte Worte, die nicht nur Suko gehört hatte. Auch unser Freund Godwin hatte alles verstanden. Still saß er auf der Bank und hielt die Hände zusammengelegt.
Schließlich sprach er mit leiser Stimme. »Ich weiß selbst, was da auf mich zukommen kann. Und glaubt es mir, Freunde, ich habe mich innerlich darauf eingestellt. Ich weiß auch, dass ihr einen Job in London habt und euch nicht teilen könnt. Aber wie sagt man noch? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich bin nicht gestorben und gehe deshalb davon aus, dass es mit der Hoffnung ebenso ist.« Seine Hände ballte er zu Fäusten, um vor der letzten Antwort ein Zeichen zu setzen. »Ich bin deshalb bereit, den Kampf anzunehmen. Ich habe hier meine Heimat gefunden, und ich habe es dem toten Abbé versprochen. Das bin ich ihm schuldig.«
»Ja, Godwin, das bist du«, sagte ich mit leiser Stimme. »Ich hoffe, dass du die Kraft dazu hast.«
»Ich stehe ja nicht allein. Damit meine ich nicht euch, sondern meine Brüder. Man hat sie nicht alle töten können, und ich weiß, dass die Überlebenden ebenso denken wie ich.«
»Bestimmt.«
Suko hatte Godwin Mut gemacht. Ich wollte es nicht, denn ich musste noch mal nach Dr. Muhani sehen. Vor seiner Tür standen noch immer zwei Schwestern, die in den Raum hineinblickten.
Als ich kam, machten sie mir Platz. Bevor ich die Schwelle übertrat, erwischte mich eine furchtbare Vorstellung. Ich sah die beiden Ärzte tot und mit durchschnittenen Kehlen am Boden liegen, umgeben von großen Blutlachen. Das Bild traf nicht zu.
Dr. Muhani saß auf seinem Stuhl, und der Kollege war dabei, den hellen Kopfverband zusammenzustecken.
Als ich auf ihn zukam, nickte er mir zu. »Er hat Glück gehabt und zudem einen Kopf aus Eisen. Aber er braucht Ruhe, und ich möchte ihn noch mal untersuchen.«
»Tun Sie das, Doktor. Ich bin auch nur gekommen, um mich von Ihrem Kollegen zu verabschieden.«
»Ach, Sie verlassen uns?«
»Ich muss. Wir fliegen morgen wieder zurück nach London. Außerdem haben wir noch etwas zu bereden.«
»Das sehe ich ein. Es ist trotzdem schade.« Der junge Arzt stand auf. »Wissen Sie, man hat hier im Krankenhaus kein gutes Gefühl mehr. Es hat sich zu viel verändert. Etwas hat sich hier eingeschlichen, das man nicht fassen kann. Es rutscht einem durch die Finger. Es ist irgendwie glitschig. Man kann es nicht beschreiben.«
Ich machte ihm Mut und sagte: »Das geht vorbei.«
»Tja – hoffentlich.«
Dann kümmerte ich mich um Dr. Muhani. Wir schauten uns an.
Ich bemerkte, dass es dem Mediziner nicht gelang, seine Verlegenheit zu überspielen. Er wusste nicht, was er mir sagen sollte.
Dann hatte er sich entschlossen. »Ich weiß nichts, Monsieur Sinclair. Ich weiß irgendwie gar nichts
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