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1344 - Fluchtburg der Engel

1344 - Fluchtburg der Engel

Titel: 1344 - Fluchtburg der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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mit unsicheren Bewegungen einem Ziel entgegen.
    Wilma sah das Zittern genau. Sie machte sich plötzlich Gedanken, denn so wie sich der Engel bewegte, zeigte er Schwäche.
    Sie verglich es mit den Bewegungen eines Menschen, der völlig von der Rolle war und nicht wusste, wie er sich verhalten sollte.
    Da stand das Bett.
    Sehr breit war es nicht, aber zwei Menschen hätten darin schlafen können. Genau das schien der Engel vorzuhaben, als er sich der Liegestatt näherte.
    Wilma verfolgte die Bewegungen mit weit geöffneten Augen. Sie ahnte schon, was kommen würde, wollte es aber nicht wahrhaben.
    War er gekommen, um zu schlafen, sich auszuruhen von den vielen Strapazen, die auf ihm gelastet hatten?
    Hätte ein Mensch so reagiert, sie hätte sich darüber nicht gewundert. Aber ein Engel…?
    Ja, er ließ sich auf dem Bett nieder. Oder auf der Tagesdecke, die seine Berührung spürte, aber nicht eingedrückt wurde, weil der Engel kein Gewicht besaß. Er blieb auf ihr liegen und es entstand weder eine Falte noch eine Mulde.
    Wilma packte es nicht. Das Wort unmöglich streifte durch ihren Kopf. Sie hörte sich schwer atmen. Sie zitterte innerlich, aber sie fror nicht. Das Blut kam ihr heiß und kalt zugleich vor. War sie so etwas wie eine Krankenschwester geworden?
    So richtig wahrhaben wollte sie es nicht. Aber sie streifte diesen Gedanken auch nicht völlig ab. Auf Zehenspitzen näherte sich Wilma dem Bett. Sie wollte den Engel auf keinen Fall stören. Er sollte weiterhin dort bleiben und sich ausruhen, doch der Drang, mit ihm zu kommunizieren, ließ sich bei ihr nicht zurückhalten.
    So näherte sie sich dem Bett mit kleinen Schritten und blieb an dessen Seite stehen. Sie beugt sich nach vorn. Die Hände hatte sie dabei auf den Rücken gelegt, weil sie nicht in Versuchung kommen wollte, den Engel zu berühren.
    Es war so still geworden, und der Frau rann ein Schauer über den Rücken. Jeder Mensch, der auf dem Bett lag, hätte geatmet. Das war bei dem Engel nicht der Fall. Er brauchte nicht zu atmen. Er war einfach da und strömte diesen Duft aus.
    Wilma stand nahe genug bei ihm, um ihn deutlicher sehen zu können. Ihr Blick saugte jede Kleinigkeit auf, doch sie musste auch zugeben, dass es an dieser Gestalt nicht viel Abwechslung zu sehen gab. Kein Gesicht im eigentlichen Sinne. Sie sah weder eine Nase noch einen Mund oder Ohren.
    Aber er malte sich vom Bett ab und war so feinstofflich, dass sie hätte hindurchgreifen können.
    Soll ich? Soll ich nicht?
    Wilma befand sich in einem innerlichen Aufruhr. Ob es je ein Mensch geschafft hatte, einen Engel aus dieser Nähe zu sehen, wusste sie nicht. Möglicherweise war sie die Erste und das bedeutete ihr viel. Aber es beinhaltete auch die große Scheu vor diesem Wesen.
    Sie wagte es trotzdem.
    Sehr behutsam steckte sie dem Engel ihre linke Hand, die Herzhand, entgegen. Wenn man Engel sieht, geht einem Menschen das Herz auf. So etwas hatte sie auch gelesen oder gehört. Wie viel mehr würde sie erleben, wenn es zum echten Kontakt zwischen ihr und dem Engel kam.
    Es klappte.
    Sie störte sich nicht daran, dass in unmittelbarer Nähe Kälte über ihre Finger hinwegfloss. Einmal auf dem Weg ließ sich Wilma nicht aufhalten und so tauchte sie ihre Hand in den geisterhaften Körper hinein und hielt dabei den Atem an.
    Unbeweglich blieb sie und erlebte etwas, das sie nicht fassen und in Worte kleiden konnte…
    ***
    Von der Kälte war nichts mehr zu spüren. Durch ihren linken Arm rieselte eine Wärme die sich sehr schnell in ein wunderbares Gefühl verwandelte. Und so kam ihr wieder der Begriff Herzenswärme in den Sinn, denn dieses wunderbare Gefühl erreichte tatsächlich ihr Herz.
    Wilma Dorn konnte es nicht beschreiben. Sie musste es genießen.
    Es war ein so warmes und schönes Gefühl, wie es alle Worte der Welt nicht hätten vermitteln können.
    Auch in ihrem Kopf hatte sich etwas verändert. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, dass es überhaupt negative Gedanken gab. Das war alles so weit weg, so fremd. Es gab nur das Schöne, das Wunderbare, die guten Gefühle, von denen auch Menschen berichtet hatten, die einen klinischen Tod erlebt und danach wieder zurück ins Leben geholt worden waren. Es war ihnen so gar nicht recht gewesen, wieder im Diesseits zu landen. Genau diese Gefühle erlebte sie ebenfalls. Auf ihrem Gesicht wirkte das Lächeln wie eingefroren. Sie freute sich darauf, in diesen Sekunden zu einer anderen Person zu werden. Etwas von der Kraft des Engels

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