1344 - Fluchtburg der Engel
einlassen«, erklärte Wilma trotzig. »Ich lasse mir mein Lebenswerk nicht zerstören.«
»Das ist deine Sache. Aber beschwere dich bitte nicht, wenn es schief läuft.«
»Keine Sorge, das werde ich nicht.«
***
»Immer wir, verdammt!«, fluchte Bill Conolly. »Immer erwischt es gerade uns!«
»Meinst du den Nebel?«
»Wen sonst?«
Ich hob die Schultern und blieb gelassen auf dem Beifahrersitz des Porsches hocken. »Wir haben Ende November und da gehört der Nebel dazu. Außerdem fahre ich lieber diese Strecke, als mich in der halb abgesperrten City herumzuschlagen, wo der Dunst noch für ein zusätzliches Chaos sorgt.«
»Stimmt. Man muss die Dinge eben immer von zwei Seiten aus betrachten.«
»Deshalb sei lieber ruhig.«
»Jawohl, Daddy.«
Wir hatten uns gegen Mittag auf den Weg gemacht. Ich war zuvor noch kurz ins Büro gefahren und durch ein leeres Vorzimmer gegangen, denn auch Glenda Perkins war voll eingespannt. Sir James wollte sie an ihrer Seite wissen, denn es gab bei diesen hohen Staatsbesuchen immer wieder etwas umzuorganisieren.
Viele Kollegen aus der normalen Riege der Polizisten fluchten sicher das Blaue vom Himmel herunter. So hatten wir es wirklich besser, auch wenn der Nebel störte. Er war nicht gleich dicht. Wenn wir feuchtere Gebiete durchquerten, dann kam er mir kastenförmig dick vor. Ansonsten ließ er schon eine gewisse Sicht zu, auch wenn diese leider recht eingeschränkt war.
Die Fahrzeuge, die uns entgegenkamen, glichen mit hellen Augen ausgestatteten Schiffen, die auf und durch diese wallenden Wogen fuhren und durch nichts gebremst werden konnten.
Der dicke graue Brei schluckte auch zahlreiche Geräusche. Selbst das Rollen der Reifen war kaum zu hören. Bill Conolly fuhr gern schnell, aber bei diesem Wetter musste er die Geschwindigkeit anpassen und so war es mehr ein Dahinschleichen.
Natürlich sprachen wir über den Fall und über das Ziel, auf das wir sehr gespannt waren.
»Ich bin gespannt, was uns erwartet«, sagte Bill, »und wie freundlich wir aufgenommen werden.«
»Es sind keine Zimmer frei.«
»Glaubst du daran?«
»Ja und nein. Diese Schwestern haben sie möglicherweise nur für bestimmte Gäste reserviert. Zu ihnen gehören wir beide eben nicht. Damit musst du dich abfinden.«
»Will ich aber nicht.«
»Dann ist es dein Problem.«
Bill schüttelte den Kopf. »Und was denkst du darüber, was Manon Lacre bei den Schwestern wollte?«
»Schutz und Sicherheit. Die Frauen müssen Menschen sein, die auch das Schicksal einer Manon Lacre akzeptieren. Was mich wieder zu der Überzeugung bringt, dass sie möglicherweise einiges von dem wissen, was uns unbekannt ist.«
»Richtig, John. Aber das wird sich alles noch zeigen. Außerdem sind wir Glückskinder.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Sieh mal nach vorn. Der Nebel lockert auf. So weit wie jetzt konnten wir seit langem nicht mehr sehen.«
Ich musste meinem Freund Recht geben. Der dicke Dunst hatte sich tatsächlich zerfasert, und endlich erschien auch wieder die Straße in einer übersichtlichen Länge, wobei sogar der Mittelstreifen zu erkennen war.
Wir fuhren durch eine einsame Gegend. Sie gehörte zwar noch zu London, aber hier am südlichen Stadtrand existierte noch viel Grün, und es gab nur wenige Häuser.
Plätze, auf denen Tennis und Fußball gespielt wurde, hatten wir passiert, auch kleine Industriegebiete, und immer wieder war das Schild Wimbledon zu lesen gewesen.
Es war die direkte Straße, die zu den weltbekannten Plätzen führte, und man hatte sie gut ausgebaut. Nach wie vor schwebte der Dunst an den Seiten und lagerte auch in der Straßenmitte, aber er beeinträchtigte unsere Sicht nicht mehr so stark.
Wir hatten uns auf eine langweilige Fahrt durch den Nebel eingerichtet, und das war bisher auch eingetreten, aber es änderte sich in einer Art und Weise, mit der wir nicht gerechnet hatten.
Es hätte auch eine Täuschung im Dunst sein können, dann aber hätten wir beide uns zugleich geirrt haben müssen, denn wir sahen die Bewegung zugleich.
An der linken Seite ging ein Mensch!
Das war nichts Besonderes. Allerdings in dieser Gegend und bei dem Nebel schon. Wir konnten uns kaum vorstellen, dass es einem Mann Spaß machte, den einsamen Wanderer zu spielen. Der Dunst täuschte uns auch nichts vor. Dieser Mann trug einen langen Mantel, so glaubten wir jedenfalls und sein Rücken besaß eine seltsame Form.
»Wo will der denn hin?«, fragte ich mehr mich selbst.
Bill zuckte die Achseln.
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