1350 - Im Wald der toten Gesichter
noch, ob die Umgebung dunkel oder hell gewesen ist. Ich meine, dass sie dunkel war. Bin mir allerdings nicht so hundertprozentig sicher.«
»Sie war dunkel«, behauptete Bill.
»Aha.«
»Dann wirkt die Magie erst in der Nacht!«, fasste unser Freund Suko zusammen.
»Genau!«
Wir atmeten tief durch. Jeder wusste, dass wir vor der Schwelle standen. Eigentlich brauchten wir nur die Tür aufzustoßen, um in den unbekannten Raum hineintreten zu können. Aber nicht jetzt.
Wir mussten die Dunkelheit abwarten.
»Dann werden wir wohl diesem netten Wald hier in der Nacht einen Besuch abstatten müssen!«, fasste ich zusammen.
»Nichts dagegen«, meldete sich Bill.
Suko lächelte und nickte. Auch er hatte meinen Plan begriffen.
»Fragt sich nur, wie wir uns die Zeit so lange vertreiben?«
»Es gibt da noch einen gewissen Korbinian. Ihm möchte ich vor Einbruch der Dunkelheit gern einige Fragen stellen. Und nicht jeder im Ort wird so mundfaul sein wie der Tankwart.«
Der Schnitzer war das richtige Stichwort gewesen. Ich hatte ihn bisher noch nicht gesehen, doch ich war davon überzeugt, dass er uns die richtigen Antworten würde geben können.
Bevor wir gingen, musste Bill noch gegen das Geäst des gestürzten Baums treten. Er fluchte dabei, als das Zweig- und Astwerg zerstört wurde und als Asche zu Boden rieselte.
Ich schlug noch einen Bogen, bevor ich mich meinen Freunden anschloss. Dabei sah ich mir diejenigen Bäume an, die ein helles Fenster aufwiesen. Es waren nicht wenige. Nur hütete ich mich davor, sie mit meinem Kreuz zu berühren.
Ich war davon überzeugt, dass wir in der Nacht die entsprechenden Antworten finden würden, und sie von diesem ungewöhnlichen Schnitzer bekommen würden.
Suko und Bill hatten den Wald bereits verlassen. Sie warteten am BMW auf mich.
»In den Ort?«, fragte Suko.
»Wohin sonst?«
»Und ich mache mir verdammte Sorgen um Phil Truman«, flüsterte Bill beim Einsteigen. »Es ist mehr als ungewöhnlich, dass er sich nicht gemeldet hat.«
»Meinst du nicht auch, dass er Braming verlassen haben könnte?«, gab Suko zu bedenken.
»Das glaube ich nicht. Er weiß, dass er nicht allein steht. Dass Hilfe unterwegs ist. Nein, nein, ich höre auf mein Gefühl, und das ist verdammt kein gutes.«
Da konnte ich den Reporter verstehen, denn ich war ein Mensch, der auf sein Gefühl achtete.
Ich schlug die Tür in dem Moment zu, als Suko anfuhr. Dann schnallte ich mich an und versuchte, über den Fall nachzudenken, um so etwas wie ein vorläufiges Ergebnis zu erreichen.
Es war schlecht. Ich hatte Probleme damit, gewisse Dinge in die entsprechende Richtung zu bringen. Was hatte ein umstürzender Baum, der zuvor gesund gewesen war, mit dem Schnitzer zu tun?
Eigentlich lag die Antwort auf der Hand. Dieser Korbinian hatte die Bäume manipuliert. Sie schwarzmagisch geimpft, um es mal so auszudrücken. Dass schaffte nicht jeder. Wer so etwas in die Tat umsetzen konnte, dem musste schon eine besondere Macht verliehen worden sein. Verliehen worden, oder war er selbst die Macht?
Ich dachte nach. Wenn er tatsächlich die Macht war, dann konnte ich ihn nicht als normalen Menschen bezeichnen. Dann musste er jemand sein, der möglicherweise voll und ganz auf der anderen Seite seinen Platz gefunden hatte.
Dazu fiel mir nur ein Begriff ein: Er war ein Dämon!
Ein Dämon in der Gestalt eines Menschen, denn anders hätte er sich nicht unter die Menschen wagen können. Einer, der sich verklei…
»Stopp, Suko!«
Bills Schrei riss mich nicht nur aus meinen Gedanken, er ließ auch Suko zusammenzucken, aber unser Freund hatte gute Nerven.
Er verriss das Lenkrad nicht, der Wagen blieb in der Spur, und dann standen wir.
»Was ist?«
Bill antwortete nicht direkt auf meine Frage. Er drehte den Kopf und deutete zugleich durch die Scheibe dorthin, wo sich wieder am Rand der Straße der kleine Tümpel abzeichnete.
»Verdammt, da schwimmt was!«
Er hatte das letzte Wort noch nicht ausgesprochen, da war er bereits aus dem Wagen.
Suko und ich stellten keine großen Fragen, sondern handelten augenblicklich. Wir sprangen aus dem Fahrzeug und liefen dorthin, wo Bill bereits stand.
Unser Freund hatte die Straße verlassen und war über das starre Wintergras an das Ufer des Weihers getreten, wo der Boden weicher und schlammiger war.
Er hatte die Schultern angehoben und hielt den Kopf nach vorn gestreckt. Dabei starrte er auf die Wasserfläche, und wir sahen das Gleiche wie er.
Auf dem Wasser schwamm
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