1351 - Die Materiequelle
selbstverständlich auf einem Prallfeld. Und selbstverständlich haben wir auch Paratronschirmprojektoren, Transformkanonen und einen supermodernen Syntron."
„Fein", erwiderte Nikki mit unüberhörbarem Sarkasmus. „Ihr habt dem Schiff also das ursprüngliche Gehirn weggenommen und ihm dafür ein Spielzeug gegeben, dessen Schatten sich hinter seinem eigenen Schatten versteckt, so daß man es weder sehen noch fühlen kann." Tassy Khuftan lachte hell. „Ich sehe, du bist immer noch für Handfestes, Nikki. Aber keine Sorge. Man hat uns die alte Bordpositronik als Reserve gelassen. Dafür haben vor allem Ernesto und ich gekämpft."
„Ernesto!" schrie Nikki in freudiger Erregung. „Meinst du Ernesto Briebesca? Ist er auch an Bord?"
„Er ist hier", antwortete Tassy schlicht. „Du meine Güte!" entfuhr es Nikki. „Er muß doch jetzt mindestens zweihundertzehn Jahre alt sein."
„Er wird zweihundertelf", korrigierte Tassy. „Aber als Astronom ist er immer noch unschlagbar. Tiff hat darauf bestanden, daß seinem Antrag, an der Mission nach Pinwheel teilnehmen zu dürfen, stattgegeben wurde."
„Dann muß er einen guten Grund dafür gehabt haben, einen hervorragenden Astronomen mitzuschicken", meinte Nikki nachdenklich. „Wahrscheinlich wird es Zeit, daß ich an Bord komme und wir abfliegen."
„Ich wollte, ich wüßte, worum es überhaupt geht", erwiderte Tassy. Nikki lachte. „Die Regierungen kommen und gehen - aber die alte Geheimniskrämerei in der Flotte bleibt bestehen", kommentierte sie. „Poerl und ich kommen jetzt an Bord."
Sie wandte sich Dao-Lin zu, packte ihren Kopf und drückte ihr einen Kuß auf den Mund, bevor die Kartanin wußte, wie ihr geschah. „Lebe wohl!" rief sie dann, schon viele Meter von der Voica entfernt und im Sprint auf die sich öffnende Bodenschleuse der SORONG und die darunter projizierte Energierampe. „Lebe wohl!" erwiderte Dao-Lin verwirrt.
Sie sah unbeweglich zu, wie Nikki Frickel und Poerl Alcoun in den Zweihundert-Meter-Kugelraumer eingeschleust wurden. Erst, als eine Robotstimme aus den Außenlautsprechern der SORONG sprach und alle im Hangar Befindlichen aufforderte, ihn unverzüglich zu verlassen, da die Entlüftung unmittelbar bevorstünde, besann sie sich wieder.
Hastig eilte sie durch die nächste Mannschleuse in die Tiefen der NARGA SANT zurück ...
Die Begrüßung zwischen Tassy Khuftan und Nikki Frickel fiel überschwenglich aus. Die beiden Frauen umarmten sich, klopften sich auf die Schultern und vergossen ein paar Tränen.
Auch Ernesto Briebesca, dem alten Bordastronomen, standen die Augen voller Tränen, als er „die kleine Nikki" begrüßte. Allerdings nahm er sie nicht in die Arme, sondern schüttelte ihre Hände und strich ihr flüchtig über das kurzgeschnittene Haar, das sich wie immer über der Stirn kräuselte. Das war seine Art; er war kein lauter Hansdampf in allen Gassen, sondern ein Gentleman alter Schule sowie ein Schöngeist und Träumer, der tagelang die Sterne durchs Teleskop betrachten und dabei über den Urgrund allen Seins nachgrübeln konnte. „Unsere Nikki, wie sie leibt und lebt!" stellte er fest. „Sie ist anscheinend unverwüstlich. Vor zweiundzwanzig Jahren Space-Jet-Pilotin erst auf der DAN PICOT und später auf der TRAGER - und jetzt Kommandantin eines der modernsten und schnellsten Schiffe des Galaktikums."
Sie lachte und versetzte ihm einen leichten Knuff zwischen die Rippen: „Und unser Ernesto ist wie immer unser Bordastronom!" rief sie. „Beim großen Black Hole, ohne dich würden die Sterne sich bestimmt einsam fühlen!"
Briebesca zuckte die Schultern und trat ein wenig zurück, um Platz für Muron Feyerlinck zu machen, der angetreten war, um das Kommando über die SORONG vorschriftsmäßig an Nikki Frickel zu übergeben - und das war bei der Komplexität moderner Raumschiffe eine Aufgabe, die den ganzen Menschen forderte.
Nikki überging keine der notwendigen Positionen auf der elektronisch gespeicherten Checkliste, denn sie wußte, daß ihr ein schwerer Auftrag bevorstand und daß sie einer großen Verantwortung gerecht werden mußte.
Zwischendurch trank sie ein paar Tassen Kaffee und plauderte mit Tassy über weit zurückliegende haarsträubende Einsätze. Irgendwann stellte sie sich dann auch der gesamten Besatzung vor und bemerkte dabei auch, daß sich noch ein alter Bekannter an Bord befand.
Chefarzt Dr. Wjaslew Surok, eine Gestalt wie aus einem Modejournal und der Jüngste in der Weigeo-Runde. Er war
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