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dass ich sie nicht lesen soll.»
«Von wem?»
«Vom Earl of Northampton. Er hat gesagt, die Nachricht ist dringend und persönlich.»
«Dringend?»
Bruder Michael bekreuzigte sich. «Es heißt, der Prince of Wales stellt eine neue Armee auf. Ich glaube,
le Bâtard
erhält den Befehl, sich ihr anzuschließen.» Er zuckte mit den Schultern. «Das würde jedenfalls Sinn ergeben.»
«Das würde es.»
Die Unterhaltung hatte Bruder Michael von den grauenhaften Schreien abgelenkt, die aus der Halle drangen. Nur langsam verwandelten sich die Schreie in ein klägliches Wimmern, und erst danach führte der Kaplan des Comtes den Mönch zurück in das Fackellicht der Säulenhalle. Bruder Michael sah nicht zu dem nackten Ding auf dem blutigen Boden. Er hielt sich hinten in der Halle, ließ sich die Sicht auf den kastrierten Mann von den vielen Soldaten in Rüstung verdecken.
«Wir sind fertig», sagte der Comte de Labrouillade zu
le Bâtard
.
«Wir sind fertig, Messire», stimmte
le Bâtard
zu, «nur dass Ihr uns noch das Geld für die schnelle Einnahme dieser Burg schuldet.»
«Ich schulde Euch das Geld», pflichtete ihm der Comte bei, «und es erwartet Euch in Paville.»
«Dann werden wir nach Paville gehen, Messire.»
Le Bâtard
verbeugte sich vor dem Comte, dann klatschte er in die Hände, um seine Männer auf sich aufmerksam zu machen. «Ihr wisst, was ihr zu tun habt! Also tut es!»
Die Männer
le Bâtards
mussten ihre Verwundeten einsammeln, ihre Toten bestatten und die Pfeile zurückholen, die sie im Kampf verschossen hatten. Es wurde schon hell, als
le Bâtards
Männer aus dem zerstörten Stadttor zogen, die Brücke in das Tal nahmen und sich ostwärts wandten. Die Verwundeten lagen auf Karren, aber alle anderen ritten, und Bruder Michael, der ein paar Stunden Schlaf gehabt hatte, konnte endlich die Männer
le Bâtards
zählen. Er hatte erfahren, dass einige der Hellequin die Burg bei Castillon bewachten, die ihre Zuflucht war, aber
le Bâtard
führte dennoch eine beeindruckende Kampftruppe. Sie bestand aus über sechzig Bogenschützen, alle Engländer oder Waliser, zweiunddreißig Waffenknechten, von denen die meisten aus der Gascogne stammten, einige aber auch aus den italienischen Staaten, eine Handvoll aus dem Burgund, ein Dutzend aus England und ein paar von weiter weg, doch alle waren sie Abenteurer, die auf Geld aus waren und es mit
le Bâtard
gefunden hatten. Mit ihren Dienern und Schildknappen bildeten sie eine Kriegstruppe, die von jedem Herrn angeheuert werden konnte, der die Mittel hatte, sie zu bezahlen, allerdings musste sich jeder Herr, der gegen die Engländer oder ihre Verbündeten aus der Gascogne kämpfen wollte, anderweitig umsehen, denn solche Auftraggeber unterstützte
le Bâtard
nicht. Er sagte gern, dass er den Feinden Englands half, sich gegenseitig umzubringen, und diese Feinde Englands bezahlten ihn für seine Dienste.
Le Bâtard
s Leute waren Söldner und nannten sich die Hellequin, die Gefährten des Teufels, und sie prahlten damit, unbesiegbar zu sein, weil ihre Seelen schon zur Hölle gefahren waren.
Und Bruder Michael glaubte ihnen.
Zwei
D er Comte de Labrouillade war sehr darauf aus, schnell von Villon wegzukommen und in die Sicherheit seiner eigenen Festung zurückzukehren, die – weil sie einen Wallgraben besaß und eine Zugbrücke – vor
le Bâtards
Methode sicher war, Tore mit Schießpulver zu öffnen. Und der Comte hatte Sicherheit nötig, denn
le Bâtard
, das wusste er genau, würde bald einen Streit mit ihm anfangen. Also hatte er die Männer des Bischofs zurückgelassen, um die neu eroberte Burg bei Villon zu halten, während er sich beeilte, mit seiner Truppe aus sechzig Waffenknechten und dreiundvierzig Armbrustschützen Labrouillade zu erreichen.
Allerdings wurde sein Fortkommen von seinen Gefangenen verlangsamt. Er hatte darüber nachgedacht, Bertille noch in Villon zu züchtigen, und sogar einem seiner Diener befohlen, ihm aus den Burgstallungen eine Peitsche zu holen, doch dann hatte er die Bestrafung verschoben, um seine Rückkehr nach Hause zu beschleunigen. Dennoch wollte er Bertille erniedrigen, und dazu hatte er einen Karren aus Labrouillade mitgebracht. Dieser Karren hatte dort in den Stallungen gestanden, solange er zurückdenken konnte, und seine Ladefläche wurde von einem Käfig eingenommen, der groß genug war, um einen Tanzbären oder einen Kampfbullen aufzunehmen, und vielleicht war der Karren genau dafür gebaut worden. Möglicherweise hatte
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