136 - Der Panther-Mann
zitternd auf den Verandastufen saß und sich an die hölzerne Stütze des Geländers klammerte.
Lipski legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Dad!« krächzte der junge Mann. »Dad! Was ist da passiert?«
»Ihr Vater muß von einem Raubtier getötet worden sein«, sagte der Arzt.
»Er hatte doch das Gewehr…«
»Er wird nicht rechtzeitig an die Waffe gekommen sein.«
»Er hätte mich gebraucht, aber ich war nicht zu Hause.« Murray schlug mit dem Kopf gegen das Holz, so kräftig und immer wieder, daß der Doktor sagte:
»Hören Sie auf damit!«
»Dieses Mädchen… Sie war schwer verletzt… Die Kugel saß ganz knapp neben ihrem Herzen… Sie ist weg… Sie kann nicht geflohen sein.«
»Vielleicht haben Ihre Mutter und Ihre Schwester sie in Sicherheit gebracht, während Ihr Vater mit dieser Bestie kämpfte«, nahm Dr. Lipski an. »Soll ich Ihnen etwas zur Beruhigung geben?«
Murray schüttelte den Kopf und quälte sich hoch. »Helfen Sie mir, Mutter, Colleen und dieses Mädchen zu suchen. Sie können nicht weit sein… Wenn ich dieses Raubtier sehe, schieße ich es in Stücke!«
»Die Tiere gehorchen ihrem Instinkt.«
»Okay, Dr. Lipski, für gewöhnlich töten Raubtiere nur, wenn sie hungrig sind«, stieß Murray haßerfüllt hervor. Er wies ins Haus. »Aber das war das Werk eines bösartigen, hinterhältigen, grausamen Killers, den ich zur Strecke bringen werde!«
Murray holte das Gewehr, das heißt, er wollte es holen, da wehte ihm ein dünner Schluchzer entgegen. Er wirbelte herum.
»Doktor!«
Lipski eilte ins Haus. Das Schluchzen wiederholte sich.
»Das kommt aus Colleens Zimmer!« stellte Murray fest. Mit zögernden Schritten näherte er sich der Tür. »Colleen?« Er drehte den Knauf, es war abgeschlossen. »Colleen, ich bin es -Murray! Mach bitte auf!«
Schluchzen.
Murray schlug mit der flachen Hand gegen das Holz. »Mutter? Mutter, bist du bei Colleen?«
Ihm war, als hörte er auch seine Mutter weinen. Kurz entschlossen drehte er das Gewehr um und rammte es so lange kraftvoll gegen die Tür, bis das Schloß brach.
Eng umschlungen, zitternd und totenbleich standen Mutter und Tochter da. »O Murray, das ist alles so schrecklich… Vater…«
Murray warf das Gewehr aufs Bett und umarmte die beiden. »Ich weiß, Mutter, ich weiß«, sagte er mit belegter Stimme.
Dr. Lipski stand in der offenen Tür. Die Familie beachtete ihn nicht. Sie war zu sehr mit ihrem Schmerz beschäftigt. Murray löste sich schließlich von Mutter und Schwester.
Er schaute den Arzt verzweifelt an, und seine Augen schwammen in Tränen. »Bitte helfen Sie ihnen«, sagte er mit belegter Stimme.
Der Doktor bat Dina und Colleen, sich zu setzen. Murray nahm das Gewehr vom Bett und lehnte es neben der Tür an die Wand. Dr. Lipski schickte ihn um Wasser. Er eilte in die Küche und kam mit einem Tonkrug und einem Wasserglas zurück.
Boris Lipski gab Dina und Colleen kleine dunkelrote Tabletten, die wie Blutstropfen aussahen. Er forderte sie auf, diese zu schlucken.
Es dauerte izwanzig Minuten, bis die beiden Frauen fähig waren zu berichten, was für grauenvolle Dinge passiert waren. Murray hörte es wohl, aber er konnte es nicht glauben.
Er griff sich unglücklich an den Kopf. »Dr. Lipski… meine Mutter und meine Schwester müssen den Verstand verloren haben. Wie können sie uns so eine verrückte Geschichte erzählen?«
»Es ist wahr«, sagte Colleen leise. »Ich schwöre dir, jedes Wort ist wahr, Murray. Dieses fremde Mädchen hat sich vor unseren Augen in eine Raubkatze verwandelt und Dad angegriffen. Sie wollte auch uns töten, deshalb schlossen wir uns hier ein. Sie warf sich mehrmals wütend gegen die Tür…, dann war es auf einmal still… Und dann kamt ihr…«
Murray schüttelte heftig den Kopf, »Nein, nein, nein, das kann nicht sein. Begreif das doch, Colleen! So etwas ist unmöglich. Kein Mensch kann sich in ein Tier verwandeln. Das muß eine Halluzination gewesen sein!«
»Mutter sah es auch.«
»Dann hattet ihr eben beide diese Halluzination… Dr. Lipski, sagen Sie ihnen, daß es eine Sinnestäuschung war.«
»Wie Sie wissen, komme ich aus Polen«, sagte Boris Lipski. »Wir Menschen aus dem Osten Europas denken etwas anders über diese Dinge.«
»Wie meinen Sie das?«
»Nun, da ist zum Beispiel Transsylvanien mit seinen gefährlichen Vampiren. Diese untoten Wesen sind imstande, sich in Fledermäuse zu verwandeln. Auch von Werwölfen habe ich hin und wieder gehört. Das sind Menschen, die sich
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