136 - Der Panther-Mann
hatte das Gefühl, in glühenden Schuhen zu stehen. »Was? Was haben die beiden gesehen?« fragte er ungeduldig.
»Ich muß dir die ganze Geschichte erzählen«, sagte Murray heiser. »Dad hörte ein Tier durch den Busch schleichen. Er holte das Gewehr und schoß… auf einen Leoparden… Aber dann… war der Leopard kein Leopard, sondern ein Mädchen! Dad verlor darüber fast den Verstand. Er sah sich als Mörder. Ich rannte hinaus und fand das Mädchen. Es lebte noch. Ich trug es ins Haus und fuhr nach Sukutara, um Dr. Lipski zu holen. Während ich fort war, passierte das Entsetzliche: Das Mädchen verwandelte sich, wurde zur Raubkatze und tötete meinen Vater. Als ich mit Dr. Lipski eintraf, war bereits alles vorbei. Dad war tot, die Bestie fort…«
»Unglaublich, unvorstellbar«, sagte Larry Merrill erschüttert.
»Aber wahr«, ächzte Murray Blackwood.
»Ich muß Colleen sehen«, sagte Larry und begab sich ins Haus.
Im Wohnzimmer herrschte wieder die gewohnte Ordnung.
In einem Sessel saß Dina Blackwood und starrte unverwandt vor sich hin. Larry trat zögernd vor sie hin. »Mrs. Blackwood, ich möchte Ihnen sagen… Es tut mir ja so furchtbar leid… Mr. Blackwood war so ein wunderbarer Mensch…«
Die Frau fing an zu weinen. Es zuckte in ihrem Gesicht. Sie wandte sich ab und weinte in ihre zitternden Hände.
»Bitte, Larry«, sagte Colleen. »Laß sie. Sie möchte mit niemandem reden, will niemanden sehen.«
»O ja, das kann ich verstehen«, sagte Larry Merrill. »Bitte entschuldigen Sie, Mrs. Blackwood.« Er ging auf Colleen zu und umarmte sie. Ganz fest drückte er sie an sich, damit sie spürte, daß er für sie da war.
In diesen Minuten voller Leid und Tränen dachte er nicht an Jenny Ruga. Im Augenblick war ihm Colleen viel wichtiger.
»Mein blonder Engel«, sagte er sanft. »Du mußt jetzt sehr stark sein.«
»Ich weiß nicht, ob ich das auf Dauer durchhalte«, schluchzte Colleen an seiner Schulter. »Ich… Wir alle sind so verzweifelt. Dad ist auf einmal nicht mehr da. Seit ich auf der Welt bin, hat er mein Leben bestimmt. Auf einmal hänge ich in der Luft. Uns allen geht es so. Er war immer die treibende Kraft. Er wußte immer, was das Beste für die Familie war, er traf die wichtigen Entscheidungen. Und plötzlich… Es ist ein furchtbar grausamer Schlag, Larry. Wie können wir darüber hinwegkommen?«
»Ich werde euch helfen…, wenn ihr erlaubt…«
»Oh, Larry…, Larry… Machen wir uns nichts vor. Du bist ein guter Freund, und ich habe dich sehr gern, aber wenn die Bauarbeiten fortschreiten, werde ich dich verlieren. Du wirst weiterziehen. Ich weiß, daß ich dich nicht halten kann, möchte es auch gar nicht, denn dann würdest du wahrscheinlich unglücklich sein. Du brauchst zu deinem persönlichen Glück die Freiheit.«
»Ich gebe zu, ich habe einen stark ausgeprägten Wandertrieb, aber er könnte eines Tages verkümmern.« Larry Merrill streichelte sanft über ihr Haar. »Ich bin ein Suchender, ein Verrückter, der eigentlich gar nicht weiß, wonach er sucht. Ich werde es vermutlich erst wissen, wenn ich durch Zufall darauf gestoßen bin. Vielleicht bist du mein Ziel, meine Endstation, Colleen. Wäre dir das nicht recht?«
»Es würde mich unbeschreiblich glücklich machen«, sagte das blonde Mädchen.
Murray stand hinter ihnen. Larry wandte sich an ihn. »Wenn ihr irgend etwas braucht, wenn ich etwas für euch tun kann, laßt es mich wissen.«
Murray kniff die Augen grimmig zusammen. »Wir brauchen nichts, sind auf niemandes Hilfè angewiesen. Wir helfen uns selbst. Dieses Scheusal… Es ist noch in der Nähe, ich spüre es. Dieser eine schreckliche Mord genügt ihm nicht. Es will wiederkommen. Die ganze Familie möchte es ausrotten.« Colleen klammerte sich zitternd an Larry.
»Hör auf, so zu reden, Murray!« sagte Larry energisch. »Merkst du nicht, welche Angst du deiner Schwester damit machst?«
»Es ist die Wahrheit. Es hat keinen Sinn, den Kopf in den Sand zu stecken. Der Wahrheit muß man ins Auge sehen, egal, wie schrecklich sie ist. Das waren stets Vaters Worte.«
Glitzernde Tränen rannen über Colleens Wangen.
»Bitte, Murray, halt den Mund!« sagte Larry eindringlich.
»Diese Bestie will den Kampf. Sie soll ihn haben. Ich werde ihr gegenübertreten und sie töten. Ich werde den sinnlosen Tod unseres armen Vaters rächen.«
»Wir werden auch noch dich verlieren«, schluchzte Colleen. »Murray, begreifst du denn nicht, daß sie das Böse verkörpert? Du
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