138 - Nostradamus - Gericht im Jenseits
als
Wartezimmer. Geschmackvoller Luxus. Allein die Dinge, die sie hier in ihrem
unmittelbaren Blickfeld zu sehen bekam, waren auserwählte Kostbarkeiten, die
sich nicht jeder leisten konnte. Die Geschäfte Madames florierten. Kein Wunder,
wenn schwerreiche Klienten Millionen hinterließen .
Dann kam Madame. Groß, schlank,
schwarzhaarig. Eine Persönlichkeit. Eine Frau, die auf Männer wirkte und die
sich dieser Wirkung voll bewußt war.
Morna fiel förmlich mit der Tür ins Haus.
Sie kannte keine Scheu. Das hätte auch schlecht in die Rolle gepaßt, die sie
hier spielen mußte.
Estrelle Kuruque hörte interessiert zu.
»Sie haben also schon von mir gehört?«
»Naturlement, Madame«, warf X-GRIL-C
einige französische Brocken in ihre Ausführungen. »Ich wollte Sie schon immer
kennenlernen. Ich möchte erfahren, was die Zukunft mir bringt. Und ich möchte -
wenn Sie es erlauben - einen Blick in jenes Reich werfen, von dem man sagt, daß
es das Paradies ist.«
Madame Estrelle lächelte geheimnisvoll.
»Sie haben keine Angst - vor dem Tod?«
Morna lachte. »Darüber habe ich mir noch
nie Gedanken gemacht. Man sagt von Ihnen, daß Sie die Toten schon gesehen und
sich sogar mit ihnen unterhalten hätten. Also geht es doch weiter, wenn
angeblich alles vorbei sein sollte .«
Estrelle Kuruque ließ geschickt in das Gespräch
immer wieder einige Fragen einfließen. Einer weniger intelligenten Frau wie
Morna wäre dies nicht mal aufgefallen. Die Geschichte, die X-GRIL-C sich auf
dem Weg hierher ausgedacht hatte, stimmte jedoch in allen Einzelheiten. Da gab
es keine undichte Stelle.
Madame durfte und sollte keinerlei
Verdacht schöpfen.
Und insofern war das Konzept von X-RAY-1
wieder mal goldrichtig. Als die Frau, die Morna darstellte, war sie völlig
unverdächtig. Wenn die Seherin wirklich nicht ganz astreine Geschäfte tätigte,
dann würde sie sicher einem Mann gegenüber größeres Mißtrauen entgegenbringen.
Vor allem wenn dieser Mann ihr fremd und unbekannt war und sie ihn nicht schon
einige Zeit vorher auf einer ihrer Parties näher in Augenschein genommen hatte
.
»Es ist unverschämt von mir, Sie einfach
so zu überfallen«, sagte Morna. »Sorry - das tut mir leid! Aber die Chance ist
einmalig. Man fährt schließlich nicht jeden Tag von Amerika nach Europa.« Sie
lachte und erzählte alles mögliche, was sie auf ihren Reisen erlebt hatte. Sie
gab sich sehr naiv.
Das schien Madame am meisten zu gefallen.
»Mir macht das nichts aus, Miß. Menschen,
die guten Willens sind, sind mir jederzeit willkommen. Wenn Sie wollen, können
wir gern noch in dieser Stunde eine Sitzung durchführen. Ich fühle mich frisch
und ausgeruht.«
»Es wird nicht Ihr Schaden sein, Madame.
Ich werde Sie gut bezahlen.«
Estrelle Kuruque winkte ab. »Wer spricht
von Geld? Es ist ein notwendiges Übel, zugegeben. Aber es ist nicht alles in
dieser Welt.«
Morna stellte ihr halbleeres Glas mit dem
Erfrischungsgetränk auf den Tisch zurück, ging dann gemeinsam mit Madame die
Treppe zur Galerie hoch und von dort aus in den geheimnisvollen, fensterlosen
Raum, in dem sie das Öllicht anzündete.
Morna Ulbrandson wagte kaum zu atmen. Mit
großen Augen blickte sie sich um und nahm dieses rätselhafte Refugium der
Seherin in sich auf.
»Der Blick hinüber in die andere Welt, der
Kontakt zu denen, die vor uns waren - das alles erfordert ein bißchen
Vorbereitung. Es läßt sich nicht alles bei Tageslicht abwickeln«, sagte
Estrelle Kuruque erklärend.
X-GRIL-C nickte nur abwesend. Sie schien
von dieser Umgebung ganz gefangen zu sein.
Beinahe ehrfürchtig durchquerte sie den
kleinen, mit Samt tapezierten Raum.
Sie schien fasziniert zu sein von dieser Umgebung,
aber ihre Gedanken weilten in Wirklichkeit ganz woanders.
Etwas war anders als erwartet. Bisher war
man der Ansicht - auch in der PSA offensichtlich - daß Madame ihre Opfer sehr
genau auswählte. War sie wirklich unschuldig? Brachte man sie mit Ereignissen
in Verbindung, mit denen sie in Wirklichkeit gar nichts zu tun hatte?
Sie hatte sich nicht besonders
interessiert für die Finanzen, die Morna eigentlich ins Spiel bringen wollte.
Madame sprach nicht von Geld. Konnte es sein, daß sie während der Sitzungen
möglicherweise posthypnotische Befehle erteilte, die die Klienten nachher
unbewußt ausführten?
»Ich überlasse Ihnen die Auswahl«, sagte
die Seherin unvermittelt. »Was wollen Sie? Einen Blick in die Zukunft werfen -
oder einem jener Menschen begegnen, die
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