138 - Nostradamus - Gericht im Jenseits
Händen. Er war
ihr behilflich beim Aufstehen. »Wir alle gehen irgendwann einmal den gleichen
Weg. Zwölf verschiedene Stufen der Weiterentwicklung gibt es nach dem ersten
Tod. Viele haben das Ende der Lichtleiter erreicht, um einzugehen in die ewige
Glückseligkeit. Vom Ende dieser Leiter bin ich herabgekommen, um jene zu
bestrafen, die meinen Namen in so schmählicher Weise verunglimpft haben. Das
Gericht der Toten hat mich beauftragt, dem unheilvollen Treiben dieser
dämonischen Geschöpfe und ihrer Verschwörerin, Estrelle Kuruque, ein für
allemal ein Ende zu bereiten. Es hat lange gedauert, bis wir den Weg gefunden
haben. Der gute Wille der anderen begleitet mich, gibt mir die Kraft, mich hier
zu behaupten.«
Er wandte den Kopf. Mit harter Stimme
schrie er die Namen, derer heraus, die Charles de Garches Leben ausgelöscht
hatten. Deren Absicht war es gewesen das gleiche bei Morna Ulbrandson zu tun.
Das Heulen und Jammern schwoll zu einem
Orkan an. Die Welt um sie erzitterte. Die schwarzen und grauen Nebel ballten
sich zusammen, die unheilvollen Geschöpfe wurden eins mit ihnen.
»Estrelle Kuruque hat die Grenze des
Jenseits und des Daseins übertreten. Sie ist schuldig geworden! Über die Toten
- wie über die Lebenden. Sie behauptet, ein Mitglied meiner Familie zu sein.
Das ist eine Lüge wie alles andere, was sie im Leben behauptet hat. Sie ist
zurückgekehrt aus dem Reich der Toten - vor mehr als dreihundert Jahren. Sie
ist bewußt den falschen Weg gegangen. - Und nun kommen Sie! Schnell! Folgen Sie
mir! Solange ich noch etwas für Sie tun kann ...«
Mit diesen Worten zog er sie einfach mit
sich. Morna war so benommen, daß sie gar nicht begriff, wohin ihre Schritte sie
führten.
Der Nebel und die Wolken schienen dichter
zu werden. Dann nahm sie plötzlich wieder den Flammenschein des flackernden
Öllichts wahr.
Rubinrote Samtwände. Rubinroter
Teppichboden. Ein Podest. Darauf stand ein hochlehniger Stuhl, der mit vier
Totenschädeln versehen war.
Das rätselhafte Refugium Estrelle
Kuruques.
X-GIRL-C fühlte wieder festen Boden unter
den Füßen. Ihr Ausflug in das geisterhafte Jenseitsreich war vorüber.
Sie konnte den Mann, dem es gelungen war,
die Grenze zu den Geistern und in das Reich der Lebenden zu überschreiten, nur
aus großen Augen ansehen.
Nostradamus ließ sie los.
Er eilte zur Tür und öffnete sie. Morna
blieb in dem fensterlosen Raum zurück.
Die Schwedin ging mit unsicherem Schritt
von dem Podest herunter.
Da hörte sie den schrillen Aufschrei. Das
war Madame!
Sie schrie wie eine Wahnsinnige und setzte
sich zur Wehr, als Nostradamus sie kurzerhand durch den Korridor zog und mit
sich hinein in den roten Raum nahm.
Estrelle Kuruque trommelte mit ihren
Fäusten auf den Besucher aus dem Jenseits. Aber ihre Schläge wirkten kraftlos
und waren unnütz.
Nostradamus ließ sich nicht aufhalten, das
zu tun, was das Jenseitsgericht beschlossen hatte.
Er ließ Estrelle Kuruque nicht los, zerrte
sie auf den Stuhl und stieß die Frau mit harter Hand darauf.
»Für deine Tat, Verruchte, seist du
bestraft! Du hast Unheil über Unschuldige gebracht. Du hast meinen Namen in den
Schmutz gezogen, um dir finanzielle Vorteile zu erschleichen. Du hast die
Geister beschworen und ihnen das Leben der Unschuldigen versprochen, damit du
jung und schön bleibst. Damit hast du dich auch gegen die Gesetze der Lebenden
vergangen. Denn schon lange - hast du nichts mehr in ihrer Welt zu tun .«
Morna Ulbrandson verfolgte die Dinge wie
auf einer Leinwand.
Estrelle Kuruque machte Anstalten, sich zu
erheben, aber sie hatte die Kraft nicht dazu. Es schien, als ob Nostradamus’ Nähe
sie enorm schwäche.
Sie bewegte die Lippen, stieß
Verwünschungen und Beleidigungen hervor. Sie klebte förmlich in dem Stuhl, aus
dem sie sich nicht mehr befreien konnte und in dem sie ihr Schicksal ereilte.
Jetzt - offenbar ausgelöst durch das
Eingreifen des großen Sehers - wurden all die Gaben zurückgezogen, welche die
beschworenen und nun hintergangenen Geister ihr verliehen hatten.
In Sekunden alterte die Frau. Ihre Haut
wurde runzlig, trocken und spannte sich wie sprödes Pergament über die Knochen.
Das lange, dichte Haar wurde schütter und schloßweiß.
Es hing in Strähnen auf ihre Schultern
herab. Sie wirkte wie ein Gespenst, wie eine Mumie, die in dem makabren Sitz in
sich zusammensackte.
Nostradamus’ Gestalt löste sich im
gleichen Moment wie ein Nebelstreif unter der Sonne auf.
Der Mann aus dem
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