139 - Kreis der Telepathen
Wudan-Figur. Die Kleinen hatten sich Schwerter aus Ästen gebaut und spielten Krieg. Sie kämpften miteinander und jauchzten vor Vergnügen.
Veda’lan’tubaris überquerte den Innenhof, begrüßte den Sil und seine Schützlinge und warf einen Blick auf das schwere Tor zwischen Wohngebäude und Kathedrale. Kontrollierte Eingeborene arbeiteten dort. Von beiden Seiten mauerten sie das Tor ein. Veda’lan’tubaris wollte auch das geringste Risiko noch ausschließen.
Sie betrat die Kathedrale durch die kleine Tür, die in die Sakristei führte. Der Oberpriester der Eingeborenen nannte den Raum so. Kraftschwarz schlief dort unter dem Tisch. Kraftkahl weckte ihn mit einem Fußtritt. Gemeinsam begleiteten sie ihre Herrin die Wendeltreppe zu dem beschädigten Turm hinauf.
Auf halber Höhe blieb Veda’lan’tubaris vor einer großen Mauerlücke stehen und blickte hinunter. Zu dem alten Brunnen, zum Sil, zu den ausgelassen herumtobenden Kleinen, zum Säulengang, zum vierstöckigen Gebäude. Vor ihrem inneren Auge wurden die Gemäuer durchsichtig und sie sah die kleinen und großen Räume, die Fenster und Türen, die Gänge und Geheimpforten. In Gedanken vernetzte sie jede Einzelheit miteinander und mit den beiden Türmen. Jeder hatte seinen Platz, jede kontrollierte Bioorganisation, jeder Daa’mure, auch die beiden Kleinen.
Sie erreichte das freiliegende Gebälk unterhalb des Turmdaches. Glockenstuhl nannten die Eingeborenen das, so hatte sie inzwischen gelernt. Dort prüfte sie die Balken, das Sitzbrett, das Kraftschwarz in ihnen befestigt hatte, und den Blick von hier aus hinunter in den Innenhof. Nein, sie hatte nichts übersehen.
Danach stieg sie wieder nach unten und hinüber in den anderen Turm, bis zu der alten Truhe vor der Wandnische. Die Truhe stand unter dem zweiten Glockenstuhl, befand sich also fast auf gleicher Höhe mit dem freiliegenden Gebälk des ersten Turmes; und das war wichtig.
Eine fremde Aura tastete nach ihrer. (Wer berührt mich?) (Thul’hal’myra. Das Modell erster Ordnung hat Nachricht von Thgáan, Veda’lan’tubaris.) Die Hal hatte den Auftrag, ständig mit dem Lesh’iye in Kontakt zu bleiben. (Es ist so weit.
Jene, auf die wir warten, macht ihr Schiff eben im Ufergeäst des Stromes fest. Sie ist nahe, und sie kommt nicht allein.) Veda’lan’tubaris trat ans Turmfenster und blickte nach unten. Die Kleinen balgten zwischen den Säulen. Der Sil drehte sich um, hob den Kopf und sah zu ihr herauf. (Es geht bald los), dachte Veda’lan’tubaris (Jeder begibt sich an seinen Platz!)
***
Die Sonne stand im Zenit, als sie von Bord gingen. Sie wollten Beebie Rot auf dem Schiff zurücklassen, doch der Rotschopf weigerte sich. Er bestand darauf, Aruula zu begleiten. Keinen Augenblick wich er von ihrer Seite und begriff nicht, dass es ihr lästig war.
Bald erreichten sie die ersten Ruinen. Die Klingen gezogen, die Pfeile in den Bogensehnen, die Äxte geschultert drangen sie in die verfallene Stadt ein. Hin und wieder blieben sie stehen, dann kauerten sich die Frauen nieder und lauschten.
»Es ist nah«, sagte Matoona, die hinter Aruula ging. »Aber es fühlt sich noch fremder an als vom Hain oder vom Schiff aus.«
Aruula ließ sich nicht beirren. Sie spürte, dass es ihr Kind war, dem sie sich näherten.
Der Uferwald lichtete sich, Gestrüpp und Büsche machten vermehrt Gebäuden Platz, und die Ruinen sahen immer weniger verfallen aus, je tiefer sie ins Zentrum der uralten Stadt vordrangen.
Endlich erreichten sie einen großen Platz. Gebäude, die so gut erhalten erschienen, dass sie zweifellos bewohnt waren, säumten ihn. Darunter eine mächtige Kathedrale mit zwei Türmen.
Sie gingen bis zur Mitte des Platzes, drehten sich dort ein paar Mal um sich selbst und beobachteten Fenster, Gassen, Hofeingänge und Türen. »Sie zeigen sich nicht«, sagte Matoona. »Dabei sind es viele. Was soll dieses Versteckspiel?«
»Wir werden es erfahren, Schwester«, sagte Lusaana.
»Möglicherweise schneller, als es uns lieb ist.«
Aruulas Blick blieb an den Türmen der Kathedrale hängen.
Von dort glaubte sie die vertraute Präsenz zu empfangen – dort oben musste ihr Kind sein…!
Kurz entschlossen rannte sie los, und Beebie Rot hinter ihr her.
»Warte, Schwester!«, schrie Matoona. »Nicht allein! Es ist zu gefährlich…!«
Als wäre dies ein Signal zu Angriff gewesen, sprangen überall in den Fassaden die Türen auf. Männer und Frauen quollen aus den Häusern, aus den Hofeingängen, aus
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