1394 - Die Rachehexe
leider nicht kam. Nach wie vor glotzte mich diese Person an, wobei ich das Gefühl hatte, dass sie noch immer nach einer Schwachstelle suchte, einer Möglichkeit, mich anzugreifen.
»Nun? Entscheide dich. Ich habe nicht viel Zeit!«
Auf einmal ruckte sie etwas nach vorn und hob den rechten Arm.
Ihre zitternde Hand deutete auf mein Kreuz.
»Nimm es weg!«
War das ein Trick oder nicht?
Ich hatte so meine Bedanken und behielt es sicherheitshalber weiterhin in meiner Hand.
»Ich werde es wegnehmen, wenn du meine Frage beantwortest. Ich will wissen, was ihr genau vorhabt. Das ist alles.«
Auf einmal nickte sie, was mich irgendwie irritierte. In ihrer knienden Haltung bewegte sie sich auch auf den Bettrand zu.
Inzwischen drängte die Zeit, denn ich wollte auf keinen Fall, dass die Veranstaltung ohne mich begann. Aber ich musste einfach in Erfahrung bringen, was die Hexen der Assunga vorhatten.
Die Hexe hatte den Bettrand erreicht. Das Kreuz hielt ich weiterhin fest, doch ich nahm meine Hand jetzt zurück und hielt sie schließlich hinter dem Rücken verborgen, damit sie den Talisman nicht sah.
Der letzte Ruck brachte sie bis dicht an die Bettkante. Sie ließ sich nicht fallen, sondern stand ganz normal auf.
Da geschah es!
Obwohl ich verdammt aufmerksam war, überraschte sie mich mit der Aktion. Aus dem Stand wuchtete sie sich herum, und zwar zu der Seite hin, wo das Fenster lag.
Noch immer drang die Kälte in das Zimmer. Der Wind hatte den Benzingeruch vertrieben, und die Schneekörner wurden ins Zimmer gefegt.
Alles lief so schnell ab, dass ich nicht reagieren konnte.
Das Fenster stand offen, die Hexe schrie auf, lief nur einen Schritt und stemmte sich während der Bewegung ab. Plötzlich lag ihr Körper in der Luft, und ich hörte ihren Schrei, dann hechtete sie bereits durch das Loch ins Freie.
Sie hatte sich tatsächlich kopfüber aus dem Fenster gestürzt, was aus dieser Höhe ein verdammtes Problem werden konnte. Aber sie war eine Hexe, und sie wusste sicherlich genau, was sie sich zutrauen konnte.
Jetzt hatte auch ich das Fenster erreicht. Bevor ich einen Blick nach draußen werfen konnte, hörte ich ein wirklich schreckliches Geräusch. Es war der berühmte Laut, der mir durch Mark und Bein schnitt. Er war auch nicht genau zu beschreiben.
Ich hängte mich weit aus dem Fenster.
Die junge Hexe war kopfüber aus dem Fenster und damit in den Garten gesprungen. Sie lag nicht auf dem Boden. Sie hing fest, denn es war etwas passiert, das man als einen brutalen Zufall bezeichnen konnte. Der Bürgermeister und seine Frau hatten Stangen aufgestellt, die wie Lanzen aussahen und eine blattförmige Spitze besaßen. Vier zählte ich insgesamt. Sie standen dicht beieinander. Im Sommer waren sie dafür ausersehen, um irgendwelche Sträucher zu halten. Jetzt waren die Sträucher leer und die Stangen lagen frei.
Das hatte die junge Hexe nicht gewusst. Sie war genau in die vier Stangen gesprungen. Alle vier Spitzen waren tief in ihren Körper eingedrungen und hatten dem Leben der jungen Hexe ein Ende gesetzt. Sie hing in ihrer tödlichen Falle. Der Oberkörper war nach vorn gebeugt, die Beine hingen nach unten, und das war es dann auch.
Den Weg in den Garten konnte ich mir sparen. Das hatte sie nie und nimmer überlebt…
***
Die ältere Hexe mit den grauen Haaren war noch immer bewusstlos.
Hier liegen lassen wollte ich sie nicht, deshalb hob ich sie an, um sie nach unten zu schleppen. Sie stöhnte leise auf, als sie über meiner Schulter lag, aber sie erwachte nicht, und das war gut.
In der unteren Etage erwartete mich Jane Collins. Die Wests waren nicht mehr zu sehen. Sie hatten sich zurückgezogen.
Ich legte die Grauhaarige zu Boden. Erst jetzt sprach Jane mich an.
»Da ist etwas passiert, nicht?«
Ich lehnte mich gegen die Wand. »Ja, es ist etwas passiert.«
Jane brauchte nur in mein Gesicht zu schauen, um darin die Wahrheit zu lesen. »Tot?«
»Leider. Ich konnte es nicht verhindern.«
»Und wie ist es passiert?«
Ich berichtete ihr alles. Jane hörte zu. Es war zu sehen, dass sie eine Gänsehaut bekam. Sie schüttelte auch den Kopf und flüsterte:
»Dabei war sie noch so jung.«
»Stimmt, Jane, aber sie war zu verbohrt. Zu stark muss Assungas Einfluss gewesen sein.«
»Dann sind zwei übrig.«
»Genau.«
»Was machen wir mit ihnen?«
»Wir werden sie hier im Haus lassen.«
Jane schaute mich an und musste dann lachen. »Das glaubst du doch selbst nicht, John. Das kann nicht wahr sein. Die
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