1395 - Das Vermächtnis des Vaters
so setzten wir uns am Fenster gegenüber hin.
Der Zug zählte nicht eben zu den neuen Modellen, und so fanden wir auch kein klimatisiertes Abteil vor. Dafür konnte das Fenster im oberen Drittel nach unten gezogen werden, was ich auch tat.
Jane hatte nichts dagegen. Sie zog den Mantel aus, hängte ihn auf, und auch ich entledigte mich der Jacke.
Dann setzten wir uns.
»Auf eine gute Fahrt«, sagte Jane.
»Wir hätten mit Champagner darauf anstoßen können«, erwiderte ich.
»Himmel, was bist du dekadent.«
»War nur so eine Idee.«
»Wir sind nicht im Orient-Express.«
»Ich werde daran denken.«
Nach diesem Satz stand ich auf und schloss das Fenster wieder, denn unser Zug hatte bereits Fahrt aufgenommen, und ich wollte nicht, dass die Kälte ins Abteil zog.
Vor der Tür baute sich ein Schatten auf. Es war ein Mann, der zwei Koffer schleppte, dabei sehr schwitzte und einen breiten Mund hatte, dessen Lippen ölig aussahen.
»Nein«, sagte Jane, »nicht du!«
Er schien die Worte gehört zu haben. Vielleicht hatte er sich auch an Janes Gesichtsausdruck gestoßen, jedenfalls zog er seine Koffer hoch und ging weiter.
»Ha, wer sagt’s denn?«, grinste Jane.
»Du bist aber auch schlimm.«
»Wieso?«
»Keine Toleranz.«
Jane rollte mit den Augen. »Da gibt es noch so viele freie Abteile, da kann er sogar sein Gepäck mitnehmen und was weiß ich nicht alles. Nur soll dieses schwitzende Ungeheuer auf zwei Beinen bitte schön uns vom Leib bleiben.«
»Er ist ja weg.«
Den Bereich des Bahnhofs hatten wir mittlerweile verlassen. Die Lichter glitten nicht mehr in der Nähe des Zugs vorbei, sie traten weiter zurück in den Hintergrund, sodass zwischen dem Zug und ihnen die freie dunkle Landschaft lag.
Ich fahre zwar nicht oft mit dem Zug, wenn ich es aber tue, dann gewöhne ich mich recht schnell an das weiche Schaukeln und auch an das Rumpeln der Räder. Da werden die Geräusche für mich zu einer einschläfernden Melodie, die nur bei einem Halt unterbrochen werden.
Zum Glück stoppte der Schnellzug nicht an jedem Kaff, aber schlafen konnte ich auch nicht, denn meine Gedanken drehten sich um das Vermächtnis meines Vaters. So nannte ich den Fund mittlerweile.
Der alte Herr hatte etwas herausfinden wollen, was mit dem Namen Loginus verbunden war. Er hatte es nicht geschafft, weil der Tod schneller gewesen war. Mir oblag nun die Aufgabe, die Lösung zu finden, auch wenn dies nicht leicht werden würde.
Immer wieder musste ich daran denken. Und auch an Johnny Conolly. Auf ihn und das Internet setzte ich die Hoffnungen, mehr über den Begriff Loginus zu erfahren.
Auch Janes Gedanken drehten sich um Johnny. »Er lässt sich verdammt viel Zeit mit seiner Meldung.«
Ich hob die Schultern. »Es kann durchaus sein, dass es schwieriger ist, als wir gedacht haben.«
Sie winkte ab und schaute aus dem Fenster. Dabei zeichnete sich ihr Gesicht schwach in der Scheibe ab. Im Abteil selbst brannte nur die Notbeleuchtung. Ein trübes rötlich-gelbes Licht, das über der Tür angebracht war.
Jane streckte die Beine aus und drückte sie etwas zur Seite. Dann fragte sie, wobei sie natürlich beim Thema blieb: »Kannst du dir vorstellen, dass dieser seltsame Begriff etwas mit dem Ableben deines Vaters zu tun hat?«
»Nur schwer.«
»Warum?«
»Tja…«, sagte ich, kratzte mich an der Wange und legte die Stirn in Falten. »Das ist alles nicht so leicht zu beantworten. Ich gehe mal davon aus, dass mein alter Herr so einige Geheimnisse für sich aufbewahrt hat. Sie steckten tief in seinem Herzen, und er hat sie nicht mal meiner Mutter offenbart. Es wusste doch keiner von uns, dass er Kontakt zu dem alten äthiopischen König Lalibela hatte. Das fand ich erst später heraus, da war er schon tot. Wenn man davon ausgeht, muss es nicht das einzige Geheimnis gewesen sein, das ihn umweht hat. Da können auch andere hinzugekommen sein.«
»Wie Loginus?«
»Du sagst es, Jane.«
»Aber dir ist noch immer nicht eingefallen, was der Name bedeuten könnte.«
»Ich weiß nicht mal, ob es überhaupt ein Name ist oder was sich dahinter versteckt.«
»Klar, das könnte auch passen.«
»Unsere Chance ist Johnny und das Internet.«
Als hätte dieser meine Worte gehört, vernahm ich plötzlich die Melodie meines Handys.
»Wer sagt’s denn«, sagte ich grinsend und meldete mich.
»Hi, John.«
»Johnny, du hältst wie immer Wort. Jane und ich haben auf deinen Anruf gewartet.«
»Kann ich mir denken. Es ist auch nicht einfach
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