1397 - Der Vampir und die Wölfe
wirkten.
Geschneit hatte es seit einigen Tagen nicht mehr. Aber vor dem Frost war viel Schnee gefallen, und der war liegen geblieben. Gestreut oder geräumt wurde hier nicht, und so lag der Schnee noch auf der Straße. In der Mitte hatten Autoreifen zwei Spuren in die gefrorene Fläche gefräst. Das gelbe Licht der Scheinwerfer fiel darauf und ließ die Oberfläche funkeln, als wäre sie mit unzähligen Diamantsplittern bestreut.
Ein weiter, kalter und irgendwie bläulich schimmernder Himmel lag über dem einsamen Autofahrer. Der volle Mond hatte schon eine Beule bekommen, doch er war auch jetzt hell genug, um sein Licht auf den blauen Planeten fließen zu lassen.
Eine klare Nacht. Sternenvoll. Da war der Himmel ein gewaltiges Zelt mit zahlreichen Löchern, durch die helles Licht schimmerte.
Frantisek Marek war mutterseelenallein unterwegs. Er kannte das Alleinsein, doch in dieser Nacht fiel es ihm besonders schwer. Er fragte sich, ob er noch alles richtig machte. Ob es sich noch lohnte, den Blutsaugern nachzujagen. Er hatte sie bisher nicht ausrotten können. Sein großer Traum war also noch nicht erfüllt. Je älter er wurde, umso mehr fragte er sich, ob sich dieser Traum wohl je erfüllen würde.
Marek glaubte es nicht mehr. Die verdammten Blutsauger würde es immer geben. Er konnte nur darauf achten, dass sie nicht Überhand nahmen. Und er stand damit nicht allein auf der Welt, denn seine Freunde in London verfolgten die gleichen Ziele.
Auch sie jagten die Blutsauger neben anderen dämonischen Geschöpfen. An ihrer Spitze stand John Sinclair, der Geisterjäger. Auch der war ein Todfeind von Dracula II. Es wäre Mareks größter Triumph gewesen, John Sinclair diese Gestalt zu Füßen zu legen, aber auch das konnte er jetzt vergessen.
Die Nacht verschluckte ihn. Hinter seinem Haus am Stadtrand von Petrila gab es nur noch Wald und freies Feld. Beide lagen sich gegenüber und zudem im Schatten der Berge, die wie die Buckel gefrorener Riesenmonster aussahen.
Mareks Gedanken schweiften zwar ab, doch seine Blicke hatte er überall. Das war er so gewohnt. Er musste einfach die Umgebung im Auge behalten. Es gehörte dazu, denn er rechnete immer mit einer plötzlich auftauchenden Gefahr.
Nicht nur er jagte die höllischen Geschöpfe, sie jagten auch ihn.
Sie warteten darauf, ihn in eine Falle locken zu können, um sein Blut zu trinken. Bisher war ihnen das nicht gelungen, doch rechnen musste er immer damit.
Nicht an diesem letzten Abend des Jahres. Es stimmte. Der Tag hieß Silvester. Benannt nach einem Papst, der vor mehr als 1500 Jahren gelebt hatte.
Menschen würden feiern, würden sich Glück für die Zukunft wünschen. Nicht jeder würde fröhlich sein können, wenn er an Naturkatastrophen und Krankheiten dachte, und so würden sich wieder viele Menschen die Frage nach dem Sinn des Lebens stellen und dabei erkennen müssen, wie klein sie doch im Vergleich zu den Mächten der Natur waren. Die Menschheit konnte sich entwickeln.
Sie konnte erfinden, was sie wollte, aber sie würde niemals die absolute Herrschaft über die Natur erlangen. Genau so sah auch Marek seinen kleinen Kosmos. Einen endgültigen Sieg gab es bei ihm einfach nicht.
Die Kälte der Nacht hatte die Natur erstarren lassen, und auch an den Mauern seines Hauses hatte sich eine graue Eisschicht gebildet.
Von den Rändern des Dachs hingen Eiszapfen nach unten, und durch den Lichtschein der Außenleuchte trieb feiner Dunst, als hätte jemand stark ausgeatmet.
Marek stellte den VW auf dem angestammten Parkplatz am Haus ab, stieg aus und schaute sich um.
Das tat er immer. Einen Blick in die Umgebung werfen. Darauf achten, ob er nicht von irgendwelchen Feinden erwartet wurde, aber er konnte beruhigt sein.
An den Fensterscheiben hatte sich kein Eis gebildet, denn im Haus brannte das Feuer im Kamin. Es gab genügend Wärme ab, um auch den Bereich der Decke zu erreichen und über die Treppe hinweg in die obere Etage zu dringen.
Als Einsamer betrat er die Einsamkeit seines Hauses. Seit dem Tod seiner Frau vor einigen Jahren lebte er allein. Unterstützt wurde er von den Conollys, seinen Freunden und auch den Freunden des Geisterjägers. Bill und Sheila hatten auch dafür gesorgt, dass er ein modernes Kommunikationssystem erhielt. Sogar ein Satellitentelefon stand ihm zur Verfügung, und von der Summe, die die Conollys jeden Monat überwiesen, konnte er sein Leben finanzieren.
Er zog die Jacke aus, hängte sie in der Nähe des Kamins auf und
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