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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Messer und die Revolver zu mir und folgte ihm mit nackten Füßen. Er schritt voran zum hinteren Tor, und erst dort zog ich die Schuhe an.
    „Was gibt es, Halef?“
    „Komm nur, Effendi! Wir müssen eilen, und ich kann dir alles ja recht gut im Gehen sagen.“
    Er öffnete, und wir verließen den Garten, indem wir das Tor nur leicht anlehnten. Ich wunderte mich, als Halef sich nicht nach der Stadt zu, sondern nach südlicher Richtung wandte; doch folgte ich schweigend, bis er selbst begann:
    „Herr, verzeihe, daß ich dich in deiner Ruhe störte! Aber ich traue diesem Selim Agha nichts Gutes zu.“
    „Was ist's mit ihm? Ich hörte ihn vorhin nach Hause kommen.“
    „Laß dir erzählen! Als wir vom Lager heimkehrten und ich die Pferde in den Stall brachte, traf ich dort den dicken Diener unsers Wirtes. Er war sehr ärgerlich und schimpfte wie ein Fennek (Wüstenfuchs), dem eine Eidechse entschlüpft ist.“
    „Worüber?“
    „Über Mirza Selim Agha. Dieser hatte die Weisung hinterlassen, ihm das Tor offen zu lassen; er werde vielleicht spät nach Hause kommen. Ich liebe diesen Mirza nicht, denn er ist dir nicht gewogen, Sihdi. Der Diener hatte ihm nachgeblickt und gesehen, daß er nicht nach der Stadt ging, sondern sich nach Mittag wandte. Was wollte der Perser außerhalb der Stadt? Effendi, du verzeihst, daß ich neugierig wurde. Ich kehrte in das Haus zurück, sprach mein Gebet und aß mein Abendbrot; aber ich konnte den Agha nicht vergessen. Der Abend war so schön, und die Sterne leuchteten am Himmel; ich konnte auch tun, was der Agha tat: ich ging spazieren, und zwar in der gleichen Richtung wie er. Ich war ganz allein; ich dachte an dich, an Scheik Malek, den Großvater meines Weibes, an Hanneh, die Blume der Frauen, und merkte dabei gar nicht, daß ich mich schon sehr weit von unserer Wohnung entfernt hatte. Da aber stand ich an einer Mauer, sie war eingefallen, und ich stieg über das Geröll hinaus in das Freie. Dort ging ich langsam weiter, bis ich einen Ort erreichte, an dem ich Bäume und Kreuze bemerkte. Es war ein Mezaristan (Kirchhof) der Ungläubigen. Die Kreuze glänzten im Schimmer der Sterne, und ich schritt sehr leise hinzu, denn man darf die Seelen der Ungläubigen nicht durch laute Schritte erwecken; sie werden zornig und heften sich an die Fersen des Ruhestörers. Da sah ich Gestalten auf den Gräbern sitzen. Es waren keine Geister, denn sie rauchten ihre Tschibuks, und ich hörte sie sprechen und lachen. Es waren auch keine Männer aus der Stadt, denn sie trugen die Kleidung der Perser; nur einige Araber waren darunter und weiterhin, wo sich keine Gräber befanden, hörte ich das Hufstampfen angebundener Pferde.“
    „Hast du gehört, wovon die Männer redeten?“
    „Sie saßen sehr entfernt von mir, und ich vernahm nur, daß sie von einer großen Beute sprachen, welche sie machen wollten, und daß nur zwei Personen leben bleiben sollten. Ferner hörte ich eine gebieterische Stimme sagen, daß sie bis zum Morgengrauen hier in dem Friedhof bleiben würden, und dann erhob sich ein anderer, um Abschied von ihnen zu nehmen. Er kam nahe an mir vorüber, und ich erkannte den Agha. Ich folgte ihm bis an unser Haus; dann dachte ich, daß es wohl gut sein würde, zu wissen, wer die Männer sind, mit denen er gesprochen hat, und darum weckte ich dich.“
    „So glaubst du, daß sie sich noch auf dem Friedhof befinden?“
    „Ja, ich glaube es.“
    „Es wird der Friedhof der Engländer sein, den du meinst. Ich kenne ihn von meinem ersten Aufenthalt in Bagdad her; er liegt nicht weit vom blinden Tor, und es wird gar nicht schwer sein, unbemerkt an ihn heranzukommen.“
    Wir schritten leise und vorsichtig demselben zu und erreichten die Bresche, welche der Zahn der Zeit in die Umfassungsmauer genagt hatte. Hier ließ ich Halef zurück, damit er mir nötigenfalls den Rückzug decken könne, und ich ging vorsichtig dem Ziel entgegen. Der Friedhof der Engländer lag nun ganz nahe vor mir; kein Lüftchen regte sich und kein Laut unterbrach die Stille der Nacht. Ich gelangte unbemerkt bis an den nach Norden gerichteten Eingang: er war geöffnet. Ich trat leise ein und hörte sofort seitwärts das Schnauben eines Pferdes. Das Tier gehörte sicher einem Beduinen, denn nur die im Freien lebenden Rosse haben jenen eigentümlichen, ängstlich zitternden Stoß durch die Nüstern, welcher als Warnung gelten soll. Dieses Schnauben konnte meine Anwesenheit verraten und mir also gefährlich werden; ich wandte

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