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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ich will den König zu Babel heimsuchen; rüstet euch wider Babel; jauchzet über sie um und um; ihre Grundfesten sind gefallen, und ihre Mauern abgebrochen. Kommt her gegen sie; öffnet ihre Kornhäuser, erwürget alle ihre Kinder, belagert sie, und lasset keinen entfliehen. Sie hat wider den Herrn gehandelt, darum sollen ihre Männer fallen und ihre Krieger untergehen zu derselben Zeit. Schwert soll kommen über Babel und seine Fürsten, über die Weissager und Starken, über Rosse und Wagen und über den Pöbel, der darinnen ist. Gleich wie Gott Sodom und Gomorrha umgekehrt hat, so soll auch Babel zum Steinhaufen werden, und ihre Stätte zur Wüste!“
    Und nun ich hier oben auf der Ruine stand, konnte ich sehen, in wie schrecklicher Weise sich das Wort des Herrn erfüllt hatte. Mit 600.000 Streitern zu Fuß, 120.000 Reitern und mit 1.000 Sichelwagen, ungezählt noch Tausende von Kamelreitern, kam Cyrus und eroberte die Stadt trotz ihrer festen Lage und trotzdem sie auf 20 Jahre mit Lebensmitteln versehen war. Später ließ Darius Hystaspis die Mauern niederreißen, und Xerxes entblößte sie von allen ihren Schätzen. Als der große Alexander nach Babylon kam, wollte er den Turm wieder herstellen; er stellte allein zur Wegräumung der Trümmer und des Schuttes 10.000 Arbeiter an, doch mußte seines plötzlichen Todes wegen der Plan aufgegeben werden. Seit dieser Zeit verfiel die Riesenstadt immer mehr und mehr, so daß heut von ihr nichts mehr zu sehen ist, als ein verwittertes Backsteinchaos, in dem sich selbst das scharfe Auge des Forschers nicht zurechtfinden kann.
    Rechts vom Turm sah ich die Straße, welche nach Kerbela, und links von demselben diejenige, welche nach Meschhed Ali führt. Grad im Norden lag Tahmasia und hinter den westlichen Wallruinen der Dschebel Menawie. Ich wäre gern noch länger hier oben geblieben, aber die Sonne war jetzt verschwunden, und die Kürze der Dämmerung trieb mich hinab zu den Gefährten.
    Das Frauenzelt war aufgeschlagen worden, und außer Lindsay und Halef hatten sich alle zur Ruhe gelegt. Der letztere hatte mich noch bedienen wollen, und der erstere hegte die Absicht, sich über die Disposition für die nächsten Tage mit mir zu verständigen. Ich vertröstete ihn auf den folgenden Morgen, wickelte mich in meine Decke und versuchte, einzuschlafen. Es ging nicht, denn eine fieberhafte Aufgeregtheit ließ mich höchstens zu einem durch öftere Pausen unterbrochenen Halbschlummer kommen, der mich nicht stärkte, sondern nur noch mehr ermüdete.
    Gegen Morgen schüttelte mich ein starker Frost, der mit fliegender Hitze wechselte; ein eigentümlicher Schmerz zuckte mir durch die Glieder, und trotz der Dunkelheit war es mir, als wenn meine Umgebung sich wie ein Karussell rings um mich drehe. Noch dachte ich nur an ein Fieber, welches sich bald legen werde, und nahm eine weitere Dosis Chinoidin, worauf ich in einen dumpfen Zustand verfiel, der eher Betäubung als Schlaf zu nennen war.
    Als ich aus demselben erwachte, herrschte bereits reges Leben um mich her. Es war zu meinem Erstaunen neun Uhr vormittags, und eben sah man die Leichenkarawane von Hilla her geteilt an uns vorüber ziehen, ein Teil davon nach Kerbela und der andere nach Meschhed Ali. Halef bot mir Wasser und Datteln an. Ich konnte einige Schlucke trinken, aber keinen Bissen essen. Ich befand mich in einem Zustand, welcher einem recht starken Katzenjammer glich, was ich sehr wohl zu beurteilen verstand, da ich während meiner Schülerzeit leider auch einige Male mich in jener hochelegischen Morgenstimmung befunden hatte, welche Viktor Scheffel, der Dichter des Gaudeamus, mit den Worten beschreibt:
    „Ein mildes Kopfweh, erst der letzten Nacht entstammt,
    Durchsäuselte die Luft mit mattem Flügelschlag,
    Und ein Gefühl von Armut lag auf Berg und Tal.“
    Ich wandte alle Kraft auf, diesen Zustand zu bemeistern, was mir, wenigstens einstweilen, auch leidlich gelang, und ich konnte mich sogar mit Hassan Ardschir-Mirza besprechen, welcher aufbrechen wollte, sobald der größte Teil der Nachzügler vorüber sei. Ich bat ihn dringend, sehr vorsichtig zu sein und seine Waffen stets bereit zu halten. Er stimmte bei mit einem leisen Lächeln und versprach, am 15. oder 16. Muharrem wieder hier an derselben Stelle einzutreffen. Gegen Mittag brach er auf. Beim Abschied winkte Benda, welche bereits auf dem Kamel saß, mich näher zu sich heran.
    „Emir, ich weiß, daß wir uns wiedersehen“, sagte sie, „obgleich du so

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