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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Halef, der mich immer beobachtet hatte, „dein Angesicht ist grau, und deine Augen haben einen Ring; ist dir sehr unwohl?“
    „Nur Kopfschmerz. Gib mir Wasser aus dem Schlauch und die Essigflasche!“
    „Ich wollte, ich könnte diesen Schmerz in meinen Kopf nehmen!“
    Der gute Halef! Er ahnte nicht, was ihm selbst auch bevorstand. Wäre mein Rih nicht ein so ausgezeichnetes Pferd gewesen, so hätte ich den Ritt nicht aushalten können und mich vor der alten ‚Aloe‘ schämen müssen, die wie ein ungarischer Tzikos ritt, was ich dieser persischen Huldgöttin gar nie zugetraut hätte.
    Endlich, am späten Nachmittag, sahen wir zu unserer rechten Hand die Ruine El Himaar vor uns auftauchen; sie liegt nur wenig über eine Meile von Hilla entfernt. Bald erschien der vor El Mudschellibeh stehende Höhenzug und südlicher die Amran-Ibn-Aly-Stätte; wir gelangten durch die am linken Euphratufer liegenden Gärten von Hilla und ritten über eine höchst unzuverlässige Schiffbrücke in das Städtchen. Dasselbe ist berüchtigt durch sein Ungeziefer, seine selbst für den Orient grenzenlose Unreinlichkeit und seine bis zur Tollheit fanatische Bevölkerung. Wir hielten uns nur so lange auf, als nötig war, um anderthalb Schock am Wege sitzende Bettler summarisch zu befriedigen, und eilten dann weiter, dem Birs Nimrud (Turm des Nimrob), dem babylonischen Turm zu, der dritthalb Wegstunden im Südwesten von Hilla liegt. Da diese Stadt ungefähr die Mitte des noch vorhandenen Ruinenfeldes einnimmt, so kann man sich eine Vorstellung von der ungeheuren Ausdehnung des alten Babel machen.
    Die Sonne neigte sich dem Horizont zu, als wir neben der Ruine Ibrahim Chalil den Birs Nimrud aufsteigen sahen, umgeben von Sumpf- und Wüstenland. Die Ruine des Turmes mag heut eine Höhe von höchstens fünfzig Meter haben, und auf ihr sieht man einen vereinzelten Pfeilerschaft, der etwas über zehn Meter hoch die Umgebung beherrscht. Er ist der einzige noch aufrechtstehende Rest der ‚Mutter der Stätte‘, wie Babel genannt wurde, doch auch bereits durch einen tiefen Riß in der Mitte gespalten, und wieder mußte ich an Unland denken:
    „Nur eine hohe Säule,
    Zeigt von verschwundner Pracht;
    Auch diese, schon geborsten,
    Kann stürzen über Nacht.“
    Wir machten am Fuß der Ruine halt, und während die andern ihre Vorbereitung zum Abendimbiß trafen, stieg ich empor zur Plattform, um einen Blick auf die Umgebung zu werfen. Einsam stand ich hier oben; die Sonne hatte den Horizont erreicht, und ihre Strahlen nahmen Abschied von den Trümmern einer versunkenen Riesenstadt.
    Was war dieses Babel gewesen?
    Am Euphrat gelegen und von demselben in zwei Teile geschieden, hatte die Stadt nach Herodot einen Umfang von 480 Stadien, also von sechzehn Meilen. Sie wurde eingefaßt von einer 50 Ellen dicken und 200 Ellen hohen Mauer, die zur Verteidigung in gewissen Zwischenräumen mit Türmen versehen war und außerdem noch von einem breiten tiefen Wassergraben beschützt wurde. Hundert Tore von Erz führten durch diese Mauer in die Stadt, und von jedem dieser Tore ging eine gerade Straße nach dem gegenüberliegenden, so daß Babel also in ganz regelmäßige Vierecke eingeteilt war. Die drei bis vier Stock hohen Häuser waren von Backsteinen erbaut, die untereinander mit Erdharz verkittet wurden. Die Gebäude hatten prachtvolle Fassaden und wurden durch freie Räume voneinander getrennt. Das Häusermeer wurde von freien Plätzen und prachtvollen Gärten angenehm unterbrochen, in denen sich die zwei Millionen Einwohner lustwandelnd ergehen konnten.
    Auch die beiden Seiten des Stromes waren von hohen, starken Mauern eingefaßt, durch deren eherne Wassertore, welche des Nachts geschlossen wurden, man gehen mußte, wenn man per Schiff von dem einen Ufer zu dem andern kommen wollte. Über den Fluß führte außerdem eine herrliche Brücke, welche eine Breite von 30 Fuß besaß und nach Strabo eine Stadie, nach Diodor aber eine Viertelstunde lang war. Ihr Dach könnte abgenommen werden. Um bei der Erbauung derselben den Strom abzuleiten, war im Westen der Stadt ein See von 12 Meilen Umfang und von 75 Fuß Tiefe ausgegraben worden, in welchen man den Euphrat leitete. Dieser See wurde auch später beibehalten; er hatte Wasser der Überschwemmungen aufzunehmen und bildete ein ungeheures Reservoir, aus welchem man bei großer Dürre mittels Schleusen die Felder bewässerte.
    An jedem Ende der Brücke stand ein großer Palast; beide waren durch einen

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