14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
zusammengebunden und meine Hände auch. Wo befand ich mich? Es herrschte das tiefste Dunkel und Schweigen um mich her; aber da, grad vor mir, erblickte ich zwei kleine, runde Stellen, welche einen eigentümlichen Schimmer hatten, der von Augenblick zu Augenblick verschwand und wieder erschien. Das waren zwei Augen, zwei scharf auf mich gerichtete Augen, über welchen sich die Lider öffneten und schlossen. Sie gehörten keinem Tier, sondern einem Menschen an; das merkte ich.
Wer war dieser Mann? Jedenfalls doch der, welcher mir den Schlag versetzt hatte. Warum hatte er mich so feindlich behandelt? Eben wollte ich eine Frage aussprechen, als ich daran gehindert wurde; der Mann redete selbst.
„Ah, endlich bist du wieder wach! Nun kann ich mit dir sprechen.“
Himmel! Diese Stimme kannte ich! Wer sie einmal gehört hatte, der vergaß den kalten, scharfen, spitzen Ton derselben sicher nicht wieder. Der Mensch, der mir hier gegenüber saß, war kein anderer als Abrahim Mamur, den wir fangen wollten. Sollte ich ihm antworten? Warum nicht? Hier im Finstern war es ja gar nicht möglich, ihm durch die Miene zu zeigen, daß ich nicht aus Furcht, sondern aus Verachtung schweige. Daß mich nichts Gutes erwarte, daß wußte ich; aber ich verzagte dennoch nicht und beschloß, ihm nicht ein einziges bittendes Wort zu sagen. „Nun kann ich mit dir sprechen!“ hatte er gesagt, und ich ahnte, daß er jetzt alles aufbieten werde, um mich innerliche Qualen leiden zu lassen. Er sollte sich täuschen.
„Sprich!“ sagte ich kurz.
„Kennst du mich?“
„Ja.“
„Das glaube ich nicht. Woher solltest du wissen, wer ich bin?“
„Meine Ohren sagen es mir, Abrahim Mamur.“
„Ah, wirklich, du kennst mich; aber du sollst mich noch besser kennenlernen! Denkst du an Ägypten?“
„Ja.“
„An Güzela, die du mir geraubt hast?“
„Ja.“
„Der Schellahl hat mich damals nicht verschlungen, als ich in seine tosenden Fluten stürzte; Allah will also, daß ich mich rächen soll.“
„Ich war es selbst, der dir das Leben rettete. Allah will also, daß ich deine Rache nicht fürchte.“
„Meinst du?“ zischte er. „Warum hätte er dich da in meine Hand gegeben? Ich habe damals in Kahira nach dir geforscht und habe dich nicht entdeckt; hier aber in Damaskus, wo ich nicht an dich dachte, sah ich dich …“
„Und bist vor mir geflohen. Abrahim Mamur, oder vielmehr Dawuhd Arafim, du bist ein Feigling!“
„Stich nur, Skorpion; ich bin der Löwe, welcher dich fressen wird! Ich wußte, daß du mich verraten würdest; daher ging ich; denn ich wollte mir mein schweres Werk nicht von dir vernichten lassen. Ihr habt mich verfolgt und mir alles wieder abgenommen; aber ich werde mir die Steine wieder holen; darauf kannst du dich verlassen!“
„Tu es!“
„Ja, ich tue es. Ich werde sie dir bringen und zeigen; darum habe ich dich nicht getötet. Aber sterben wirst du doch, denn du bist schuld an tausend Qualen, welche ich erlitten habe. Du nahmst mir Güzela, durch welche ich ein besserer Mann geworden wäre. Da hast du mich wieder zurückgeschleudert in die Tiefe, aus welcher ich mich erheben wollte; nun sollst du deine Strafe haben. Sterben sollst du, aber nicht schnell durch das Messer oder die Kugel; nein, langsam und mit Millionen Schmerzen. Der Hunger soll deine Eingeweide zerreißen, und der Durst deine Seele auflecken, daß sie vor Qualen zischt wie der Wassertropfen, an dem das Feuer frißt!“
„Das traue ich dir zu!“
„Spotte nicht und glaube ja nicht, daß du mir entkommen kannst! Wüßtest du, wer ich bin, so würdest du versteinern vor Schreck.“
„Ich brauche es nicht zu wissen!“
„Nicht? O, du sollst es doch erfahren, damit du eine jede Hoffnung aufgibst und damit die Hand der Verzweiflung dein Herz erfaßt. Ja, du sollst alles wissen, damit du hilflos deine Zähne zusammenknirschest. Weißt du, was ein Tschuwaldar (wörtlich: Sackmann. Einer, der seine Ermordeten im Sack in das Wasser wirft) ist?“
„Ich weiß es“, antwortete ich, denn ich hatte mir viel von den Tschuwaldar erzählen lassen, welche vor gar nicht langer Zeit Konstantinopel so fürchterlich unsicher gemacht hatten.
„Weißt du auch, daß die Tschuwaldar eine Familie bilden, welche von einem Oberhaupt regiert wird?“
„Nein.“
„Nun so wisse, daß ich dieses Oberhaupt gewesen bin und daß ich es auch noch jetzt bin.“
„Prahler!“
„Zweifle nicht! Hast du nicht in Ägypten gesehen, wie reich ich bin? Woher
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