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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gezählt, daß ich die Knie fortgesetzt hatte, und mußte also schon über die Stelle hinaus sein, auf welcher ich gelegen hatte. Aber zu diesen zweihundert Schritten hatte ich sicher weit über eine Stunde gebraucht. Noch eine halbe Stunde verging, da hörte die Mauer auf, sowohl an der rechten wie auch an der linken Seite von mir; der Fußboden jedoch lief fort.
    Was war das? Rechts und links gab es eine Ecke; folglich stieß der Gang, in welchem ich bisher gewesen war, auf einen andern Gang, und zwar in einem rechten Winkel. Setzte er sich drüben wieder fort. In diesem Fall bildeten die beiden Gänge hier einen Kreuzungspunkt, auf welchem sich Abrahim Mamur befand. Ich lauschte mit angestrengtestem Ohr, konnte aber nicht das leiseste Geräusch vernehmen. Zunächst mußte ich wissen, ob mein bisheriger Gang sich drüben fortsetzte; ich schob mich also in dieser Richtung weiter. Mein Atem ging ruhig, und mein Puls klopfte nicht anders als gewöhnlich; hier war die kälteste Ruhe und Besonnenheit nötig.
    Ich gelangte drüben an und überzeugte mich, daß eine Fortsetzung des Ganges vorhanden sei. Welche Richtung sollte ich nun einschlagen? Geradeaus oder nach links? Die Luft war nach allen drei Richtungen hin unbeweglich und von gleicher Temperatur und Feuchtigkeit; auch die Finsternis war gleich dicht und undurchdringlich. Ich überlegte. Befand sich Abrahim hier, so stand er gewiß an derjenigen Seite, welche in das Freie führte; stand er aber nicht hier, so hatte er den Ausgang besetzt.
    Vor dem neu aufgefundenen Gang war er nicht, denn dort hatte ich die Ecken der Seitenwände in den Händen gehabt. Es blieben also nur noch die beiden Seiten übrig. Ich wandte mich zunächst nach links. Nicht Zoll um Zoll, sondern Linie um Linie rückte ich vor; nach zehn Minuten wußte ich, daß er auch hier nicht war. Nun gab es nur noch die letzte Richtung, rechts, und ich schob mich dort hinüber.
    Wohl bis an den Mittelpunkt der Kreuzung mochte ich gekommen sein, als es mir war, als ob ich ein leises, ganz leises, anhaltendes Geräusch vernehme. Ich strengte mein Gehör an und rückte noch einige Zolle weiter. Richtig! Das war das Ticken einer Taschenuhr, jedenfalls der meinigen, die er mir abgenommen hatte. Hier also endlich fand ich ihn, und hier war folglich die Richtung in das Freie. Wie aber hinaus gelangen? Konnte ich an ihm vorüber?
    Um dies zu wissen, mußte ich zu erfahren suchen, welche Stellung er eingenommen hatte: ob er lag, saß oder stand. Ich wagte jetzt das Äußerste und näherte mich immer mehr. Ihn packen, um mit ihm zu ringen, konnte ich nicht wagen, denn es verstand sich ganz von selbst, daß er jetzt das Messer nicht für zureichend halten konnte und sich mit einer Schießwaffe versehen hatte. Er hatte wohl gar in einer Hand einen meiner Revolver, mit denen er ja sicher umzugehen verstand.
    Meine Hände schoben sich so vorsichtig und leise vor, wie die Fühlhörner einer Schnecke. Das Ticken wurde vernehmlicher, und jetzt – pst! – jetzt war ich mit der Spitze des Mittelfingers an ein Stück Zeug gestoßen. Er befand sich also unmittelbar vor mir; er durfte nur die Hand ausstrecken, so hatte er mich. Und in dieser gefährlichen Nähe vergingen wohl abermals zehn Minuten, ehe ich wußte, daß er lag, und zwar quer über den Gang herüber.
    Sollte ich über ihn wegsteigen? Sollte ich ihn durch eine List fortlocken? Ich wählte das erstere. Es war zwar das Gefährlichere, aber dafür auch das Sichere. Ein sorgfältiges Ausfühlen mit den Fingerspitzen brachte mir das Ergebnis, daß er die Füße übereinander geschlagen hatte. Das war mir lieber, als wenn er sie weit auseinander gespreizt gehabt hätte. Ich erhob mich langsam, trat ganz an ihn hinan und hob das eine Bein in die Höhe. Wenn er jetzt seine Stellung veränderte! Es war ein höchst kritischer Augenblick. Aber ich brachte das Bein glücklich hinüber und zog das andere nach.
    Nun war das Schwierigste überwunden. Ich brauchte mich nicht mehr niederzulegen, sondern konnte mich aufrecht fortbewegen. Je mehr ich mich von ihm entfernte, desto sicherer konnte ich auftreten und desto schneller kam ich weiter. Nach kurzer Zeit tappte ich mich bereits im gewöhnlichen Gehschritt vorwärts und merkte auch, daß die Luft sich veränderte. Nach kurzer Zeit fühlte ich Stufen unter den Füßen. Ich stieg empor; es wurde heller und immer heller; ich kam an eine kleine Öffnung, über welcher ein dichtes Wacholdergesträuch seinen aromatischen Duft

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