14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
die andern beiden herbeieilen müßten, um ihn zu binden.
Unter langsamen Bewegungen gelangten wir hin, aber – er war nicht mehr da. Was nun? Hatte er sich vor einen der andern drei Gänge gelegt? Wir untersuchten auch das und fanden, daß er nicht da sei. Er mußte in einem der drei Gänge sein, aber weiter hinten. Wir gingen zu den zwei Begleitern zurück, welche mit Spannung unsern Hilferuf erwartet hatten.
„Er ist nicht mehr hier“, flüsterte ich halblaut. „Geht eine Strecke zurück und brennt die Lampen an. Stellt euch aber davor, daß ihr Schein ja nicht in die andern Gänge leuchtet.“
„Was tut Ihr nun, Master?“ fragte Lindsay.
„Wir durchsuchen die drei Gänge.“
„Ohne Lampe?“
„Ja. Das Licht würde uns gefährlich sein, da er dann ein sehr leichtes Zielen auf uns bekäme, gar nicht gerechnet, daß er uns schon von weitem bemerken müßte.“
„Aber wenn ihr ihn trefft, und wir sind nicht da?“
„So werden wir uns behelfen müssen.“
Nun ging es vorwärts, zunächst in den Gang hinein, in welchem ich den Brunnen gefunden hatte. Die ganze Breite des Ganges einnehmend, taten wir etwas über zweihundert Schritte, ohne zuvor zu probieren; dann aber mußten wir vorsichtig sein. Wir erreichten das Loch, ohne Abrahim angetroffen zu haben, und kehrten wieder um.
Nun ging es in den zweiten Gang. Hier mußten wir uns in acht nehmen, um nicht in Gefahr zu geraten. Wir schlichen also nur ganz langsam vorwärts, und es verging über eine Viertelstunde, ehe wir das Ende des Ganges erreichten. Wir standen vor der Grundmauer des Tempels und mußten abermals unverrichteter Sache umkehren.
Im letzten Gang, der uns übrig blieb, war dieselbe Vorsicht geboten. Er war viel länger als der vorige und endete in einem tiefen Loch, dessen Breite diejenige des Ganges war. Zum drittenmal kehrten wir um.
Die Gefährten vernahmen unsern Bericht mit Verwunderung.
„Er war da, folglich ist er noch da!“ sagte Lindsay. „Yes!“
„Er kann auch den Gang während der Zeit, daß ich nicht da war, verlassen haben. Nehmt die Lampen. Wir wollen zunächst einmal in den Brunnen sehen!“
Wir schritten links hinüber und kamen an das Ende des Ganges. Der Brunnen war sehr tief; in seinem dunklen Schlund war nichts als Finsternis zu sehen. Hier hinab konnte Abrahim nicht entwichen sein. Darum suchten wir nun den zuletzt durchforschten Gang auf. Als wir an das Loch kamen, sahen wir, daß es eine Treppenöffnung sei, deren erste Stufe aber so tief war, daß man sie von oben mit der Hand nicht erfassen konnte.
„Wollen wir hinab?“ fragte der Kodscha mit einigem Grauen.
„Natürlich. Es ist der einzige Weg, auf welchem er entkommen sein kann.“
„Aber wenn er von unten her auf uns schießt!“
„Du wirst hinter uns gehen. Gib mir dein Licht!“
Wir stiegen hinab; wohl zwanzig Stufen zählte ich. Dort gab es einen einzigen langen Gang, welcher sehr weit unter der Erde hinführte und dann mit einer ähnlichen Treppe endete, auf welcher wir emporstiegen. Droben standen wir wieder in einem Gang. Wir teilten uns jetzt nicht, sondern blieben beisammen und verfolgten den Gang.
Er führte zu einem eben solchen Kreuzungspunkt, wie die vier vorher durchforschten Bogengewölbe, und nun war ein guter Rat teuer. Sollten wir uns teilen oder beisammen bleiben? Wir entschieden uns für das erstere.
Lindsay und der Kodscha bewachten mit dem einen Licht den Kreuzungspunkt, während ich nebst Halef mit der zweiten Lampe den nächsten Gang hinunterschritt. Auch er war sehr lang und wurde je länger desto breiter, zuletzt auch heller. Wir eilten vorwärts und erreichten das Tageslicht bei den beiden Doppelsäulen, hinter denen ich eingetreten war.
Aber wo waren die beiden Irländer, welche ich hierher postiert hatte?
„Sihdi, er ist hier durchgekommen, und sie haben ihn“, sagte Halef.
„So wären sie nach dem andern Ausgang geeilt, um es uns zu melden. Komm, wir wollen nachsehen!“
Wir schritten schnell dem angegebenen Ort zu; auch er war unbewacht; der Diener Jacubs hatte seinen Posten ebenfalls verlassen.
„Sie haben ihn nach dem Loch gebracht, in welchem wir lagern, Sihdi“, meinte Halef. „Komm, laß auch uns hingehen!“
„Zuvor holen wir den Engländer und den Kodscha Pascha.“
Wir rannten zurück, wo wir hinter der Doppelsäule unsere brennende Lampe gelassen hatten, und eilten wieder in den Gang hinein, um die Zurückgebliebenen zu holen. Mit ihnen draußen angekommen, löschten wir die Lampen
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