Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
verdient habe.“
    Die Frauen standen hinter den Zweigen, um Selim zu sehen und unser Gespräch mit anzuhören.
    „Was hast du nicht erwartet?“ fragte Hassan Ardschir.
    „Daß ich alles, was wir gerettet haben, diesem Fremdling übergeben soll.“
    „Dieser Emir ist kein Fremdling, sondern mein Freund und Bruder!“
    „Herr, bin ich nicht auch dein Freund?“
    Der Mirza stutzte; dann antwortete er kurz:
    „Du warst mein Diener, dem ich vertraute; wann aber habe ich dir das Recht erteilt, dich meinen Freund zu nennen?“
    „Herr, ich habe die Heimat verlassen; ich habe meine Zukunft geopfert; ich bin ein Flüchtling geworden; ich habe dir deine Reichtümer bewacht und beschützt: – habe ich als Freund gehandelt oder nicht?“
    „Du hast so gehandelt, wie ich es von jedem treuen Diener erwarte, und wie auch diese andern Männer alle gehandelt haben. Deine Worte tun mir weh; denn ich habe nicht geglaubt, daß du mir deine Pflichten als Verdienste vorzählen würdest. Habe ich dir nicht geschrieben, diesem Emir so zu gehorchen, als ob ich es sei?“
    Die Stimme des Mirza klang sehr ernst; der Agha befand sich in Verlegenheit, besonders als er die Frauen bemerkte, und suchte nun nach einem Entschuldigungsgrund:
    „Herr, dieser Mann schlug mich, als er mich traf!“ sagte er.
    Der Mirza sah mich an und lächelte.
    „Selim Agha“, meinte er, „warum hast du ihn nicht sofort getötet? Wie konntest du dich so beleidigen lassen! Warum schlug er dich?“
    „Wir trafen uns auf der Straße, und ich gebot ihm, mir auszuweichen. Er tat es nicht, und er schlug mich so ins Gesicht, daß ich vom Pferde stürzte.“
    „Ist dies wahr, Emir?“ fragte mich der Mirza.
    „So ziemlich. Ich kannte ihn noch nicht, und dein Diener konnte ihn auch nicht erkennen, da er den Gesichtsschleier trug. Er kam auf einem prächtigen Schimmel geritten, welchem er dein Reschma angelegt hatte; darum hielt ich ihn für einen großen Herrn. Er befahl uns, ihm auszuweichen, trotzdem genügender Platz vorhanden war, und seine Stimme war dabei diejenige eines Padischah. Du kennst mich, Mirza; ich bin sehr gern höflich, aber ich will auch haben, daß andere höflich sind; darum machte ich ihn darauf aufmerksam, daß Raum da sei; er griff zur Peitsche, nannte mich ein Schwein und wollte mich schlagen. Da lag er freilich im nächsten Augenblick auf dem Boden, und dann erfuhr ich leider zu spät, daß er der Mann sei, an den du mich gesandt hattest. Das ist alles, was ich zu sagen habe. Sprich mit ihm selbst, und wenn du mich brauchst, so rufe mich.“
    Ich ging hinaus zu den Pferden, um dort mit Halef zu plaudern.
    Nach einer halben Stunde suchte mich Hassan Ardschir-Mirza auf. Sein Angesicht zeigte tiefe Falten des Unmutes.
    „Emir“, sagte er, „diese Stunde hat mich sehr betrübt. Willst du diesem unvorsichtigen Selim verzeihen?“
    „Gern, wenn du es wünschest! Was hast du beschlossen?“
    „Er kehrt nicht wieder mit dir zurück.“
    „Das erwartete ich.“
    „Hier ist ein Verzeichnis aller Dinge, die ich ihm übergeben habe; er trug es bei sich. Du wirst die Sachen schätzen und verkaufen; ich bin mit allem einverstanden, was du tust, denn ich weiß, daß es schwer ist, in so kurzer Zeit Käufer zu finden. Sodann wirst du meine Diener entlassen und ihnen so viel geben, als ich dir hier aufgezeichnet habe. Das Geld habe ich dir bereits in die Tasche deines Pferdes gesteckt. Wann muß ich nach Kerbela aufbrechen?“
    „Heute ist der erste Moharrem, und am zehnten ist das Fest. Vier Tage muß man haben, um von Bagdad bis Kerbela zu gelangen, und einen Tag vorher möchte man dort sein; also ist der fünfte dieses Monats der geeignete Tag.“
    „So soll ich noch vier Tage hier verborgen bleiben!“
    „Nein. Es wird sich in der Stadt ein Ort finden lassen, an dem du mit den Deinen sicher bist. Laß mich sorgen! Wirst du alles behalten, was du jetzt bei dir hast?“
    „Nein, es soll auch verkauft werden!“
    „So gib mir lieber gleich jetzt alles mit, was du entbehren kannst, und sage mir den Preis. Es gibt sehr reiche Leute in Bagdad; vielleicht finde ich einen Parsi oder Armenier, der alles auf einmal kauft.“
    „Emir, der Preis wird ein Vermögen sein!“
    „Laß mich nur sorgen! Ich werde so auf deinen Vorteil sehen, als ob es der meinige sei.“
    „Ich vertraue dir. Komm, wir wollen die Ladung untersuchen!“
    Die Pakete wurden geöffnet, und da zeigten sich meinem erstaunten Blick allerdings Schätze und Kostbarkeiten,

Weitere Kostenlose Bücher