14 Tante Dimity und der gefährliche Drache (Aunt Dimity Slays the Dragon)
»Offenbar bringt Perry mehr Zeit als üblich vor dem Spiegel zu, und Jack glaubt, es gut mit den Damen zu können, wobei die Soldaten mir sagten, dass die Ladys das nicht unbedingt so sehen.«
Der merkwürdige Wandel in Bills Gebärden und Stimme legte die Vermutung nahe, dass auch er schließlich der endemischen Krankheit zum Opfer gefallen war, die in Finch grassierte. Ich hatte sie mir bereits eingefangen, kurz nachdem wir ins Cottage gezogen waren, aber Bill hatte es irgendwie geschafft, sie sich vom Leib zu halten – bis jetzt.
»Du tratschst ja!«, sagte ich triumphierend.
»Bekenne mich schuldig«, sagte Bill kleinlaut. »Es passiert leicht, dass man angesteckt wird. Hier redet jeder immerzu über jemand anderen.«
»Wirklich?« Ich versuchte es nicht zu zeigen, aber Bills Worte erfüllten mich mit Hoffnung. Während ich den Tag damit zugebracht hatte, das öffentliche Gesicht der Kirmes zu beobachten, hatte er ihre private Seite erlebt. Er hatte ausreichend Gelegenheit gehabt, alle möglichen nützlichen Dinge über König Wilfred, Edmond Deland und die kleine Mirabel zu erfahren. »Hast du jemanden schlecht über König Wilfred reden hören?«
»Nein. Jeder scheint Calvin zu mögen.«
»Ist er bei den Frauen beliebt?«
»Keine Ahnung. Warum? Willst du dich etwa für die Rolle der Königin bewerben?«
»Ich habe bereits meinen König«, sagte ich lächelnd. »Haben sich viele Frauen für die Rolle der Königin beworben?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht mal, ob diese Position überhaupt zu besetzen ist. Calvins Budget sieht möglicherweise keine Königin vor.« Bill beschrieb eine ausladende Geste mit dem Arm. »Wie wär’s mit einer Führung?«
»So lange wir einen großen Bogen um die wattierten Hemden machen«, sagte ich skeptisch.
Während wir durch das Zelt gingen, ermahnte ich mich zur Geduld. Bills offensichtliches Desinteresse am Liebesleben von König Wilfred war zwar enttäuschend, aber nicht überraschend. Mein Mann war noch ein Neuling im Tratschspiel. Er benötigte noch einiges an Übung, um meinen Standards zu entsprechen.
Bill zeigte mir Sir Peregrines zerbrochene Lanze, erklärte mir die Wappensymbole auf Lucifers Sattel und wies darauf hin, welch hohes handwerkliches Können in den Kettenhemden steckte. Wir untersuchten gerade den verbeulten Schutzschild von Sir Jacques, als die Zeltbahn an der hinteren Wand ein Stück hochgehoben wurde und ein junger rothaariger Knappe hereinkam, einen Eimer mit Striegeln, Hufkratzern und weiteren Putzutensilien in Händen.
»Harold!«, rief Bill. »Darf ich dir meine Frau vorstellen. Harold le Rouge ist Sir Peregrines Schildknappe«, erklärte er und fügte leise hinzu: »Sein richtiger Name ist Tommy Grout.«
»Kein Wunder, dass er ihn geändert hat«, murmelte ich.
Harold verstaute den Eimer unter Sir Peregrines Sattelbock und kam dann herüber, um mich zu begrüßen. Nachdem wir einander offiziell vorgestellt worden waren und er aufgehört hatte, seine Kappe zu lüpfen und sich zu verbeugen, fragte Bill ihn, ob ich mir ein Messer aus dem Waffenarsenal des Königs borgen könne.
»Eurer werten Dame steht es frei, meines zu nehmen«, sagte Harold ohne zu zögern.
»Nein, das kann ich nicht«, rief ich verlegen aus.
»Ich habe noch einige, Mylady Ihr würdet mir eine große Ehre erweisen, wenn Ihr diese Kleinigkeit von mir annehmet.« Er löste das Messer samt Scheide von seinem Gürtel, beugte das Knie und hielt mir das Messer hin.
Ich nahm es dankbar an und erkannte auf den ersten Blick, dass es alles andere als eine »Kleinigkeit« war. Die Scheide war handgefertigt und mit Steppstickerei verziert, und der Horngriff des Messers in Messing eingefasst. Aber was noch bedeutender war: Die glänzende Klinge war beinahe fünfzehn Zentimeter lang und äußerst scharf. Es eignete sich bestens für den Zweck, den ich verfolgte.
»Danke, Harold«, sagte ich. »Ihr habt das Zeug zu einem galanten Ritter.«
»Ich hoffe, mich dieser Ehre eines Tages würdig zu erweisen.« Er richtete sich wieder auf. »Ich fürchte, ich muss Euch jetzt verlassen, Freunde. Mein Meister erwartet mich im Camp.«
»Wir begleiten Euch hinaus«, sagte Bill. »Unsere Söhne erwarten uns.«
»Ich bin froh, ihn nicht um eine Strumpfhose gebeten zu haben«, flüsterte ich Bill zu, während ich das Messer in meiner Umhängetasche verstaute.
»Harold sicher auch«, sagte Bill sanft.
Wir unterdrückten ein Lachen und folgten dem Knappen auf der hinteren Zeltseite
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