140 - Kastell der namenlosen Schrecken
hingen lange Speichelfäden. Rene würgte zweimal den Motor ab, so tief stand er im Schock dessen, was er gesehen hatte. Dann raste er mit aufheulendem Motor in die Richtung des Grundstücksausgangs davon. Wild drehten die Reifen durch.
Savel setzte sich auf die Schaufel eines Radladers. Seine Gedanken und Überlegungen wirbelten wie verrückt durcheinander. Keiner von ihnen glaubte an unnatürliche Vorfälle, keiner war so abergläubisch, daß er in den Mauern des Kellergewölbes geheimnisvolle, schaurige Kräfte vermutete. Aber jedes einzelne Geschehnis und die Summe aller Vorfälle - die Leute wurden förmlich gezwungen, an irgendein kaltes Land des Verbrechens und des Wahnsinnes zu glauben, das sich hier unsicher ausbreitete.
Was hatte die beiden Touristen dazu gebracht, die Absperrung niederzufahren und erst anzuhalten, als beide Fahrzeuge kippten?
Und was war wirklich im Gewölbe passiert?
„Hoffentlich", murmelte der Bauarbeiter und stand auf, um dem ersten Kleinbus entgegenzulaufen, „kann uns Gaston etwas sagen."
Undeutlich hörte er aus der Ferne eine Polizeisirene.
Drei Dutzend Polizisten, zwei Krankenwagen, aufflammende Blitzlichter der amtlichen Photographen, bohrende Fragen, verdeckte Bahren, aufgeregte Trillerpfeifen, ein verstörter Maitre Ducroq, ein Architekt mit kalkweißem Gesicht und die ratlosen Arbeiter, die immer wieder versuchten, ihre Bestürzung durch mehr oder weniger sinnloses Hantieren zu überwinden… die Baustelle wimmelte von aufgeregten Menschen. Die Einstiegsfenster des Gewölbes wurden vergittert; eine provisorische Brettertür trug das polizeiliche Siegel an den Vorhangschlössern. Polizisten zerrten mit Hilfe einer Baumaschine das Gespann aus dem nachgebenden Erdreich und fuhren es zur Untersuchung. Gaston hatte in der Klinik nichts Verständliches gesagt. Er schlief unter der Wirkung einer Betäubungsspritze.
Alle waren ratlos und schockiert.
Inzwischen vermuteten einige leitende Polizisten einen krankhaften Mörder, der hier sein Unwesen trieb.
Gegen Mittag, als die Polizei abgezogen war, stieg de Beauvallon in seinen Wagen und verließ die Baustelle.
Auch er war völlig überfordert, und er zeigte es auch. Er wirkte verstört, als er die Gruppen der Gärtner passierte, die mittlerweile einen riesigen Teil des Rasens angelegt hatten und über die rücksichtslosen Polizisten schimpften.
Und natürlich kamen die ersten Reporter und hielten die Männer von der Arbeit auf, rannten überall herum und rührten die schrecklichen Vermutungen wieder neu auf. Die Überschriften würden genau das ausdrücken, was jeder unterdrücken wollte: Spukschloß im Weinberg!!
Strandhaus, in dem Touristen zerrissen wurden. Mysteriöses Sterben am Mittelmeerstrand - und so ähnlich.
Dorian Hunter saß in der „Bar du Port" und ließ seine Augen zwischen der Zeitung, den hübschen Mädchen auf dem Trottoir und dem rastlosen Verkehr auf der Hauptstraße hin und her gehen. Zehnter September. Die Wellen des Tourismus liefen aus. Alles beruhigte sich: selbst die Kellner widmeten dem einzelnen Gast mehr Aufmerksamkeit.
Es war später Morgen. Dorian hatte Cafe au lait bestellt, frische Croissants und Butter, Marmelade und verschiedene Pasteten. Er aß, trank und las Zeitung, und er tat dies alles in guter Ruhe. Am Abend würde er wieder im Castillo Basajaun sein.
Auf seinem Tisch entwickelte sich langsam die typische französische Unordnung. Die frischen, warmen Hörnchen hinterließen einen Schauer von Bröseln. Die Butter schmolz rasch, und die Ränder des
Matin des Cogolin
tränkten sich mit Fett. Dorian grinste, weil er einen Artikel über italienische Geisterjäger las.
In Turin,
lautete die Headline,
haben die Geister wenig zu lachen!
130 Gespensterjäger brauchen nicht über Mangel an Beschäftigung zu klagen. Ein Team von Geisterjägern macht zur Zeit in Italien von sich reden, hieß es da. Sie gehen mit professionellem Ernst ans Werk. Die Helfer der von parapsychischen Phänomenen geplagten Menschheit hatten, eigenen Angaben zufolge, Hochkonjunktur.
„Bildet sich", fragte sich leise der Dämonenkiller, „hier eine neue Konkurrenz für mich heraus?"
Er warf einen Blick auf den kleinen Mietwagen, der schräg gegenüber im Schatten einer plakatstarrenden Platane parkte. Cogolin, ein vergleichsweise kleiner Ort an der Cöte d'Azur, lag an der Route National, und ungeheure Mengen von Autos zogen in beiden Richtungen an Dorian vorbei. Fußgänger hatten, selbst wenn sie einen
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