1402 - Das Vampir-Puzzle
der Bedrohung stellen, und sie wollte sie früh genug erkennen und sich nicht überraschen lassen.
Das Innere des Hauses war ein Hort der Stille. Es gab nur Justine, und sie bewegte sich mit sehr leisen Schritten. Sie wartete praktisch darauf, das sich jemand zeigte, und da Saladin über ungewöhnliche Kräfte verfügte, war es durchaus möglich, dass er von einem Augenblick zum anderen hier auftauchte.
Deshalb war sie auf alles gefasst, aber sie wusste auch, dass es gefährlich war, sich gegen ihn zu stellen. Er hatte bei ihr noch keine Hypnose versucht, und sie glaubte auch nicht, dass es ihm gelingen würde, doch unterschätzen durfte sie seine Kräfte auf keinen Fall.
Justine ging nach oben. Die zweite Etage lag direkt unter dem Dach. Es gab dort schräge Wände und ebenfalls schräge Fenster, durch die sie in den grauen Himmel schauen konnte. Sie sah auch die zahlreichen Bücher und Videofilme, die Sarah Goldwyn gesammelt hatte. Ein paar neue Streifen hatte sie sich vor ihrem Tod als DVDs zugelegt, nur war sie nicht mehr dazu kommen, sich die Filme anzuschauen.
Es war ein Ort, den Justine selten betrat. Man konnte dieses Dachgeschoss als Janes Refugium ansehen, denn sie hatte sich in einer Ecke ein kleines, jedoch modernes Büro eingerichtet, wo sie oft saß und recherchierte.
Auch hier entsprach alles der Normalität. Es gab nichts, was auf ein Eindringen des Hypnotiseurs hingedeutet hätte. Justine hätte eigentlich beruhigt sein können. Doch das genau war sie nicht. Sie fühlte sich innerlich unter Druck gesetzt und reagierte dabei beinahe wie ein normaler Mensch. Es lag etwas in der Luft, nur wusste sie nicht, was genau war. Von keiner Seite erhielt sie irgendeine Antwort.
Noch immer nicht beruhigt, machte sie sich wieder auf den Weg nach unten. In der ersten Etage lag ihr Zimmer, aber auch Janes kleine Wohnung. Sie kam auf den Gedanken, die Zimmer zu durchsuchen, doch von irgendwelchen Feinden sah sie nichts. Mallmann und sein Helfer Saladin schienen andere Pläne zu verfolgen, und sie hoffte, dass das noch anhielt.
Ihr war natürlich klar, dass Jane Collins und sie etwas unternehmen mussten. Auch John Sinclair würde sicher mit von der Partie sein. Ein Erstarken des Supervampirs konnte auf keinen Fall akzeptiert werden. Dabei war es egal, ob er nur sie persönlich angriff oder woanders seine Zeichen setzte. Sie wollte ihn aus dem Spiel haben.
Sie hasste ihn mittlerweile, und sie hatte noch längst nicht das Ziel aus den Augen verloren, so etwas wie eine Königin der Blutsauger zu werden.
Das hatte sie bisher allerdings zurückstellen müssen und sich als Vampirin mit sehr starken Kräften geschickt in die menschliche Gesellschaft eingliedern lassen.
Zwei Etagen hatte sie hinter sich. Jetzt fehlte nur noch die Umgebung der Haustür.
An der Treppe blieb sie für einen Moment stehen und ließ ihren Blick über die Stufen gleiten. Sie war jemand, der auch auf Nebensächlichkeiten achtete und jede Veränderung sofort wahrnehmen würde.
Es war etwas da.
Es hatte sich etwas verändert, auch wenn äußerlich nichts zu erkennen war. Sie spürte es mit einem sicheren Instinkt, und es war ganz in ihrer Nähe vorhanden.
Der Blick nach unten brachte sie nicht weiter. Da war nichts. Von dort kam die Botschaft nicht. Es musste sich an einer anderen Stelle etwas verändert haben.
Das Prickeln war da. Das ungute Gefühl, das einen wie eine Klammer zusammenzupressen schien.
Sie wartete noch einen Moment ab, dann fuhr sie mit einer geschmeidigen Bewegung herum. Sie ging dabei sogar leicht in die Knie, schnellte wieder hoch, hörte das Lachen – und sah die Gestalt.
Vor ihr stand Saladin!
***
Viele Menschen hätten einen Schrei der Überraschung ausgestoßen, bei Justine passierte das nicht. Sie sah ihn, verengte nur kurz ihre Augen und hatte sich wieder gefangen.
Der Hypnotiseur wusste genau, wen er vor sich hatte. Doch er zeigte nicht eine Spur von Angst. Er blieb einfach stehen, und der breite Mund mit den schmalen Lippen war zu einem etwas albernen Grinsen verzogen.
»Überrascht, Justine?«
»Nein. Es lag ja auf der Hand, dass du dich bald zeigen würdest. Das gehört dazu.«
»Klar, ich kenne dich. Man kann dich nicht so leicht schocken. Selbst durch zwei abgeschnittene Köpfe nicht.«
»Die nicht mehr hier sind.«
»Das ist mir schon klar. Assunga war vor Hass und Wut fast zerfressen. Sie musste etwas tun, und deshalb hat sie die Köpfe hierher geschafft. Sie wollte euch warnen. Sie wollte
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