1408 - Ein Tropfen Ewigkeit
Kreisen Eingeweihter gehabt hatte. Und nach dem spektakulären Abgang wurde sie zu dem, was man gemeinhin als Kultfigur bezeichnete. „Du glaubst auch nicht, daß sie den Sturz ins Schwarze Loch überlebt hat", stellte Fellmer Lloyd fest. „Kannst du Gedanken lesen?" scherzte Tifflor. Ernster fuhr er fort: „Es ist ein gewisses Wunschdenken vorhanden. Und bei Illu würde mich eigentlich nichts wundern. Ich möchte jedenfalls, daß du dich auf den SIRA-Stationen sehr genau umhörst, Fellmer."
„Warten wir erst einmal ab, was wir vorfinden", sagte Lloyd. „Jetzt werde ich eine kleine Ruhepause einlegen, um später im Einsatz fit zu sein."
Tschubai schloß sich ihm an. Als Tifflor mit Nia allein war, sagte sie: „Ich sorge mich um Irmina."
„Warst du darum die ganze Zeit über so zurückhaltend?"
„Ich wollte mit dir darüber reden - unter vier Augen."
„Was ist mit Irmina?"
„Sie benimmt sich seltsam."
„Ich habe nichts davon bemerkt."
„Vielleicht verstellt sie sich vor den anderen", meinte Nia, „und ließ sich nur mir gegenüber gehen. Ich habe Angst um sie."
„Erzähle."
„Während du zur Besprechung auf der CIMARRON warst, habe ich sie in ihrer Kabine aufgesucht..."
Die Metabio-Gruppiererin empfing Nia Selegris mit einem freundlichen Lächeln, wirkte gleichzeitig aber auch irgendwie abwesend. „Wo bist du gerade, Irmina?" fragte Nia. „Ich denke nach. Nein, das ist nicht der richtige Ausdruck. Es ist mehr eine Erforschung meines Ichs. Meines Körpers und meines Geistes", antwortete Irmina, während sie Nia anblickte, aber eigentlich durch sie hindurchsah. „Durchleuchtest du mich?" erkundigte sich Nia etwas unbehaglich. Die Vorstellung, daß Irmina bis in ihr Innerstes sah, sie aus der mikrobiologischen Warte Zelle um Zelle taxierte und ihren Körper nach Zellgruppierungen einteilte und katalogisierte, machte sie unruhig. „Du bist noch so beneidenswert jung", sagte Irmina. Als sie fortfuhr, schwang in ihrer Stimme Trauer mit. „Und doch läufst du Tiff mit Riesenschritten davon. Du mußt altern, er nicht."
„Damit werde ich schon fertig", sagte Nia.
Und dann tat Irmina etwas Seltsames, etwas, das Nia ängstigte und große Sorge um die Metabio-Gruppiererin in ihr weckte: Irmina griff sich in den Nacken und holte unter ihrer Kombination die Kette mit dem Zellaktivator hervor. Ehe Nia wußte, wie ihr geschah, hatte Irmina ihr den Aktivator umgelegt. „Steht dir gut", sagte sie dann. Nia wurde noch unbehaglicher. Irmina hatte immerhin ein biologisches Alter von bereits 175 Jahren, und Nia wußte nicht, wie sich ein selbst noch so kurzer Verzicht auf die regenerierende Kraft des Zellaktivators auf ihren Metabolismus auswirken konnte.
Andererseits scheute sie sich, Irmina auf ihr Alter hinzuweisen.
Irmina merkte Nias Bedenken und winkte ab. „Das geht schon in Ordnung", sagte sie. „Wer weiß, wie lange ich dieses Anhängsel noch trage..."
Nia hätte den Zellaktivator dennoch so rasch wie möglich wieder an Irmina übergeben und war froh, als sie diese Situation hinter sich gebracht hatte. „Ich glaube, du ziehst aus dieser Geste die falschen Schlüsse"; sagte Tifflor, nachdem Nia geendet hatte. Er verstand nicht einmal, warum sie die Angelegenheit dermaßen aufbauschte. „Aber könnte es nicht auch sein, daß Irmina es so gemeint hatte, wie sie es sagte?" gab Nia zu bedenken. „Daß sie des Zellaktivators - der Unsterblichkeit - überdrüssig ist? Das macht mir angst, Tiff."
„Mir scheint eher, daß du ein Fall für Marbong bist", sagte Tifflor. Als er jedoch Nias aufkeimende Reaktion merkte, fügte er rasch hinzu: „Okay, schon gut. Ich werde ein Auge auf Irmina haben."
Aber die Vorstellung, daß die Metabio-Gruppiererin lebensüberdrüssig sein sollte, erschien ihm einfach lächerlich.
*
Bevor die PERSEUS das Zielgebiet erreichte, kurz vor dem Ende des Überlichtflugs, kehrte Tifflor in die Kommandozentrale zurück. Der 18. Mai ging gerade in seine zweite Hälfte über, und Bolder Dahn war immer hoch auf dem Posten. Inzwischen hatten auch die anderen ihre Positionen eingenommen. Da man, nach den Erfahrungen, die man in dieser Zeit gemacht hatte, mit allen möglichen Überraschungen rechnete, hatte Tifflor auch die Feuerleitzentrale besetzen lassen. Der Ertruser Tschart „T-Bone" Cornam ließ vom Syntron gerade die Geschützstände durchchecken.
Vanda Taglia zwinkerte Tifflor zu und deutete mit dem Kopf auf den Stellvertreter des Kommandanten. Dahn merkte es
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