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schlechter Verfassung, dass nur die perfekt ausgerüstete Rega sie transportieren kann. Oskar Mack fieberte immer mit – «die Patienten sind so nah» –, sprach mit den Angehörigen, erklärte die nächsten Schritte. In seinem letzten Berufsjahr, schon startbereit in Ouagadougou, bat das medizinische Team die Piloten um Hilfe. Man wechselte ab mit Reanimieren, blieb weitere vierzig Minuten am Boden, bis das Medical Team resignierte und die Ärztin, nach Rücksprache mit dem Chefarzt in der Einsatzzentrale Zürich, aufgeben musste. Es war morgens um drei Uhr. «Ich flog einen Toten nach Hause.» In Zürich standen Gerichtsmediziner, Leichenwagen, der Chefarzt bereit.
Unvergesslich bleibt ihm auch, wie er 2008 seiner Tochter Nathalie, der Kinderkrankenschwester, einen Knaben aus Portugal persönlich im Verbrennungszentrum Zürich überbringen konnte.
59 und pensioniert. Was nun? Die Ausbildung zum SAC-Hüttenwart abschliessen. Skitourenwochen leiten. Klettern. Malen. Musizieren mit dem schrägen Ensemble RiMK (Raum für improvisierte Musik Kaiserstuhl). Familie und Freunde bekochen, den Enkel hüten. Die Piper L4 (Baujahr 1945) fliegen, in welcher der Siebzehnjährige sein Handwerk gelernt hat.
Oskar Mack ist 1952 in Glarus geboren und in St.Gallen aufgewachsen. Fliegerische Vorschulung, Altenrhein, Schweizerische Luftverkehrsschule, Kloten. Rega: 1979 Pilot auf Learjet LR 35A, Hawker Siddeley 125, Challenger 600, 601, 604. 1992 bis 2011 als Commander. 2003 bis 2011 CRM-Trainer.
«Jedes Unglück ist eine Art Tsunami»
Anne-Lise Stuby, Pflegefachfrau
Anne-Lise Stuby, seit 1985 im Jet
auf allen Kontinenten unterwegs
Französisch? Hochdeutsch? In welcher Sprache unterhalten wir uns? «Am liebsten Schweizerdeutsch.» Anne-Lise Stuby mag die Sprache, trotz Stolpersteinen. Weshalb gehen die Leute in Rümlang täglich zur Post? Den Ausdruck «go poschte» verstand sie lange nicht. Auch dass «nöd» und «nüüt» mehr ist als eine dialektale Nuance. Und warum nur reagierten die Patienten so komisch auf ihre Frage, ob sie ein «Küssli» wollten? Gemeint war ein kleines Kissen. Sie spricht auch durchwegs von Krankenschwester statt von Pflegefachfrau: «Ein schöner Begriff, selbst wenn er heute mehr Beruf als Berufung ausdrückt.»
1700 Patienten hat die Krankenschwester in 26 Jahren zurück in die Schweiz begleitet. Sie zählt Patienten, nicht Einsätze. «Wir haben weniger, aber längere Einsätze als früher. Für eine Repatriierung sind wir bis fünf Tage oder sogar mehr unterwegs. Wer flog vor ein paar Jahren schon nach Thailand in die Osterferien? Heute reisen die Leute der Sonne nach, an entlegenste Destinationen.»
Gestern eine Patientin im Tessin geholt, morgen nach Afrika fliegen, nächste Woche in Peking landen. Anne-Lise Stuby ist gern unterwegs – und profitiert von ihren Dienstreisen. Macht sich vorher kundig über das Zielland, will etwas wissen über politische Verhältnisse, Religion, Sprache, Menschenschlag. «Wir müssen halt wach sein und interessiert. Ich finde immer ein paar Stunden, um etwas anzuschauen.» Privat- und Berufsleben vermischen sich. «Mein Leben ist ein Puzzle.»
Sie geniesst die Flüge über Wüsten, Urwälder, Alpen. Erinnert sich an die Landung auf einer Nato-Basis im Norden Grönlands – an «prächtige Eisberge, die sich in der Tiefe des blau schimmernden Wassers verloren». An den Flug über Nordkanada, nahe dem magnetischen Nordpol: «Immer wieder holten wir die Sonne ein, drei Sonnenaufgänge am selben Tag!» An den Flug über die bolivianischen Anden, die prächtigen Nordlichter zwischen Vancouver und Iqualit: «Der ganze Himmel wirkte wie ein immenser, grüner, von Gespensterhand bewegter Vorhang.»
Anders als im Spital, arbeitet Anne-Lise Stuby an Bord nicht mit Pflegefachfrauen zusammen, sondern mit einem Arzt. Und in den verschiedenen Ländern mit einheimischem Personal, einer thailändischen Krankenschwester etwa oder einer Muslima. Sie erfüllt, was Takt und Respekt verlangen, hält den Tschador bereit, übt sich in endloser Geduld, etwa in Afrika oder Korea. «Ja nicht Nein sagen. Noch höflicher sein als sonst.»
Sie kennt sich aus in der Intensivpflege, mit Herzerkrankungen, Verbrennungen. «Ich muss wissen, was mitzunehmen ist, den Ablauf und die Geräte kennen. Chef ist der Arzt, er bringt das medizinische Wissen, ich Erfahrungen und mein Spezialwissen.» Die Intensiv-Fachfrau ist bei der Rega manchmal «unterfordert». Um à jour zu bleiben, arbeitet
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