1420 - Der Geisterhenker
mit einigem gerechnet, aber nicht mit dem Bild, das sich da seinen Augen bot.
Er sah John – und den Henker!
***
Ich spürte die Luft an meinem Gesicht. Sie war wie eine Feder, die meine Haut streichelte. Im Normalfall hätte ich darauf nicht geachtet, aber hier war alles anders. Da war ich überaus sensibilisiert. So erging es mir meistens, wenn ich in Lebensgefahr schwebte.
Und nun dieser Luftstreifen!
Der Henker schlug nicht zu. Auch er schien irritiert zu sein. Er drehte sich auf der Stelle herum und hatte mich vergessen.
Ich folgte der Bewegung mit den Blicken und wandte trotz der Schmerzen noch den Kopf.
War es ein Trugbild? Hatte sich Suko in einen rettenden Engel verwandelt, der vom Himmel gefallen war? Jedenfalls stand er da und jetzt Auge um Auge dem Geisterhenker gegenüber.
Was in diesem Moment an Gedanken durch meinen Kopf schoss, das bekam ich nicht auf die Reihe. Es war verdammt viel und zugleich ein großes Durcheinander.
Suko hielt seine Beretta in der rechten Hand. Die linke war frei, und die bewegte er in Richtung Brust, wo sie verschwand.
Ich wusste, was er vorhatten.
Er wollte seinen Stab einsetzen. Wenn der funktionierte, hatte er für fünf Sekunden freie Bahn.
»Topar!«
Ich hörte den Ruf und trat erst mal weg, was meine Aktivitäten anging…
***
Die Lage hatte Suko mit zwei, drei Blicken voll und ganz erkannt. Er wusste, dass der Henker ein Opfer gefunden hatte und dass Suko im letzten Augenblick erschienen war. Diesmal hatte es wirklich geklappt, wie von einem Drehbuchautor in Szene gesetzt.
Er hätte schießen können, aber das wollte er sich für später aufbewahren.
Jetzt kam es buchstäblich auf jede Sekunde an, und da gab es nur ein Mittel.
Er musste seinen Stab einsetzen!
Blitzschnell griff Suko in die Innentasche der Jacke, berührte den Stab und rief das entscheidende Wort.
»Topar!«
Alles Leben in seiner Rufweite erstarrte. Für fünf Sekunden wurde die Zeit angehalten, und Suko sah, dass John in der Starre blieb, die er sowieso schon gehabt hatte.
Leider nicht der Henker. Er drehte sich noch ein kleines Stück zur Seite und riss seine Waffe hoch.
Und so erlebte Suko eine Enttäuschung, wie lange nicht mehr. Es war für ihn nicht nachvollziehbar, was sich hier abspielte. Ob Mensch oder Dämon, diese Waffe – ein Erbe des mächtigen Buddha – hatte ihn noch nie im Stich gelassen. Bisher war immer alles erstarrt. Doch in diesem Fall nicht.
Der Geisterhenker bewegte sich weiter. Und er wusste genau, was er zu tun hatte. Er schwang sein verdammtes Beil in die Höhe und bewegte sich dabei auf Suko zu.
Plötzlich war die Gefahr da. Ein Volltreffer würde ihm das Leben rauben.
Suko dachte nicht mehr an einen Angriff, dafür daran, dass er so schnell wie möglich eine genügend große Distanz zwischen sich und den verfluchten Henker brachte.
Er wusste, dass dieser Typ nicht aufgeben würde. Er war schnell und wendig. Suko dachte auch nicht weiter darüber nach, warum der Henker nicht in die Starre gefallen war, er sah nur, dass das Beil diagonal durch die Luft schnitt und auf ihn zujagte.
Im Sprung drehte sich Suko, denn er hatte sich als Ziel die Couch ausgesucht. Mit seinem vollen Gewicht landete er auf der Sitzfläche, wurde ein Stück in die Höhe geschleudert, fiel wieder nach unten und sah den Henker kommen.
Er schoss.
Die Kugel jagte in die Brust der Gestalt. Für einen Moment stoppte der Angriff. Suko sah auch das gelbe Schimmern in der Körpermitte, aber abhalten konnte er die Gestalt nicht.
Sie sprang wieder vor und drosch zu!
Suko behielt die Nerven. In Situationen wie dieser bewies er, dass er cool bis in den letzten Zehennagel sein konnte. Genau im richtigen Moment wuchtete er sich zur Seite.
Er bekam noch den Luftzug mit, so dicht pfiff die Waffe an ihm vorbei. Und sie hackte tief in das Polster der Couch.
Suko schnellte zur Seite. Es gab für ihn nur noch eine Möglichkeit, die ihn unter Umständen retten konnte. Er musste die Zeit herausholen, um seine Dämonenpeitsche zu ziehen und dann den Kreis zu schlagen.
Suko stolperte genau im Unrechten Moment. Sein rechter Fuß hatte wuchtig einen Sesselfuß getroffen. Er ging in die Knie, zog das Möbel noch ein Stück mir, ließ sich bewusst fallen und rollte sich geschickt ab. Dabei holte er bereits die Peitsche hervor. Ein kurzer Ruck hatte ausgereicht, um sie aus dem Gürtel zu ziehen.
Der Henker war schon da. Er schwebte durch das Zimmer. Geräusche waren nicht zu hören, und dabei
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