1420 - Der Geisterhenker
Druck der Beretta. Ein großer Vorteil. Wenn es wirklich hart auf hart kam, musste ich mich verteidigen können.
Die Waffe so locker und einfach zu ziehen wie sonst, das packte ich diesmal nicht.
Alles ging langsamer. Alles war mit Schmerzen verbunden. Die im Kopf wurden nicht schwächer. Sie stachen nach wie vor durch meinen Schädel. Da hatten sich kleine Monster versammelt, um mich zu malträtieren.
Aber ich gab nicht auf. Wieder versuchte ich es. Ich wollte die Beretta zumindest ziehen, um sie dann auf meinen Oberschenkel zu legen. Danach musste ich das Handy hervorholen und Suko anrufen, der sich bestimmt darüber wunderte, dass ich noch nicht im Büro eingetroffen war. Etwas veränderte sich!
Zuerst nahm ich es nur als Kribbeln auf meiner Haut wahr. Irgendjemand musste sich in der Nähe aufhalten, den ich nicht sah.
Das konnte durchaus Saladin sein, der ja mit besonderen Fähigkeiten gesegnet war.
Ich drehte den Kopf und bewegte auch meine Augen. Nein, da war nichts zu sehen, aber der Gedanke, dass es nicht Saladin war, sondern die eigentliche Hauptperson in diesem Spiel, war plötzlich vorhanden.
Das Beil, der Henker, derjenige, um den sich im Prinzip alles drehte. Ich war wieder so klar, dass ich im Voraus denken konnte. Dabei versetzte ich mich automatisch in den Gedankengang des Hypnotiseurs, und mir war plötzlich klar, warum man mich nicht getötet hatte.
Man wollte mich dem Henker überlassen!
Spinnen schienen über meinen Rücken zu kriechen. Mein Herz schlug bei diesem Gedanken schneller, und es war für mich wichtiger denn je, an die Waffe zu gelangen.
Aber konnte ich tatsächlich mit einer geweihten Silberkugel einen Geisterhenker stoppen?
Ich glaubte es nicht, und ich schob den Gedanken zunächst mal zur Seite. Noch war er nicht bei mir. Nur glaubte ich daran, dass er sich bereits angekündigt hatte, denn dieses Andere und nicht so leicht Fassbare in meinem Umfeld verschwand nicht.
Ich war froh, still sitzen zu können, und traute mich auch nicht, den Kopf zu drehen. Die Stiche bekam ich nicht in den Griff. Sie malträtierten mich.
Es war für mich der Horror im Sessel, und die eigentlich Gefahr hatte ich noch immer nicht zu Gesicht bekommen.
War es der Henker? Oder schickte er nur sein verdammtes Beil, wie ich es schon einmal erlebt hatte? Das war im Traum gewesen, den mir Saladin geschickt hatte. Durch ihn war ich auf die tote Beth Ingram gestoßen und danach voll in den Weg dieses verdammten Henkers gelaufen.
Und jetzt?
Trotzt der Schmerzen drehte ich meinen Kopf. Ich tat es sehr, sehr langsam, um die Stiche in Grenzen zu halten. Ich wollte in jeden Winkel des Zimmers sehen.
Mein Herzschlag hatte sich wieder beschleunigt. Auch nach der Beretta tastete ich, aber das alles war nicht mehr so wichtig.
Jetzt zählte nur noch der Henker.
Er war da, und er stand mit schlagbereitem Beil in der offenen Wohnzimmertür…
***
Ich sah eine Gestalt, die nicht unbedingt etwas Teuflisches an sich hatte, aber sie wirkte trotzdem zum Fürchten, denn sie war sehr dunkel gekleidet. Kein historisches Kostüm. Kein freier muskulöser Oberkörper, auch keine Kapuze, die seinen Kopf und das Gesicht verdeckte. Keine Augenschlitze, in denen sich der brutale Blick eines Killers abzeichnete, nein, dieser Henker sah völlig anders aus. Man konnte sein Outfit als modern bezeichnen.
Hose und Oberteil gingen in eins über. So ähnlich sahen auch Taucheranzüge aus. Von den Haaren war nichts zu sehen, weil vom Nacken her eine Mütze hochgezogen war, die die hintere Hälfte des Kopfes verdeckte und nur das Gesicht frei ließ.
Auf das konzentrierte ich mich.
Ein blasses Gesicht. Toten- oder kreidebleich, und ich dachte an den Film »Scream«, in dem ein Killer mit einer bleichen Maske seine Opfer gejagt hatte.
Hier musste ich mir die Frage stellen, ob ich es mit einem Maskenträger zu tun hatte oder ob es ein feinstoffliches Geistwesen war, das da vor mir stand.
Es gab kein Leben in diesem Gesicht. Es war alles starr.
Er machte keinen direkt bösen oder grauenhaften Eindruck. Aber einen kalten und gefühllosen. Wer ihn zum ersten Mal sah und ihn genauer betrachtete, der musste einfach zu dem Schluss kommen, dass diese Person keine Gnade oder Barmherzigkeit kannte. Er war nur darauf bedacht, zu vernichten.
Und das mit dem Beil!
Er hielt es in beiden Händen schräg vor seinem Körper. Die linke Hand befand sich dicht unter der Klinge, die rechte hielt den Griff so ziemlich an seinem Ende umfasst. Ob es
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