1420 - Der Geisterhenker
bewegte er seine Waffe wie ein Pendel hin und her.
Eine leere Vase geriet in Sukos Griffweite. Er schnappte sie sich und schleuderte sie der Gestalt entgegen.
Treffer und doch keiner!
Die Vase durchflog seinen Körper. Hinter ihm prallte sie auf den Boden. Das Material war so dick, dass es nicht zerbrach, und so rollte sie weiter.
Suko hatte genug gesehen. Diese Gestalt, die sich nur durch die Handhabung ihrer Waffe manifestierte, war tatsächlich kein Mensch. Aber sie war auch kein Geist. Sie musste in irgendeinem Zwischenraum oder einem Zwischenstadium existieren, was er nicht fassen konnte.
Aber was war mit dem Beil?
Da gab es nur eine Antwort!
Diese Waffe war echt!
Suko rannte zur Seite. Es war ihm nicht gelungen, den Kreis zu schlagen. Das musste er so schnell wie möglich hinter sich bringen, und er war froh, dass er angegriffen wurde und nicht sein Freund John Sinclair, der jetzt versuchte, sich aus dem Sessel zu quälen.
Der Henker sprang hoch. Nein, er schwebte in die Höhe. Von dort fiel er nach unten, drosch zu – und traf nur den Fußboden, denn Suko war wieder schneller gewesen.
Die Klinge steckte jetzt fest. Sie war mit zu großer Wucht geschlagen worden.
Bevor der Henker sie wieder hervorziehen konnte, musste Suko den Kreis geschlagen haben.
Er schaffte es.
Drei grünlich braune Riemen rutschten hervor, die aus der Haut eines Dämons bestanden, dessen gewaltige Kraft auch in ihnen steckte.
Der Henker zerrte noch immer am Griff des Beils, als sich Suko ihm von der Seite her näherte. Dann löste sich das Beil mit einem Ruck aus dem Fußboden.
Suko wartete nicht länger, sondern schlug zu.
Drei Riemen trafen. Er hätte das klatschende Aufprallgeräusch hören müssen, was aber nicht der Fall war. Zwar hatten die Riemen den Körper erwischt, aber sie glitten hindurch. Trotzdem hatte Suko das Gefühl gehabt, einen leichten Widerstand zu spüren.
War das der Schlüssel zum Erfolg?
Er konnte es nicht glauben, aber es war tatsächlich so. Plötzlich war ein Schwirren in der Luft.
Die Gestalt zog sich zurück.
Suko nahm einen scharfen Geruch wahr, eine Mischung aus Schwefeldampf und einer starken elektrischen Ladung. Es war das vorläufig Letzte, was er von dem Henker sah, denn wenig später war die Gestalt tatsächlich verschwunden…
***
Und genau das bekam auch ich zu sehen. Wobei mir zum einen der große Stein vom Herzen fiel und ich mich zum anderen wahnsinnig darüber ärgerte, so inaktiv gewesen zu sein.
Ich hatte alles erlebt. Ich hatte nach meinem Erwachen auch versucht, selbst einzugreifen, doch es war mir nicht gelungen, an mein Kreuz heranzukommen. Nicht, weil mir die Kraft gefehlt hätte, ich war einfach zu sehr abgelenkt gewesen.
Und nun?
Jetzt war der Henker weg. Vertrieben durch die Dämonenpeitsche meines Freundes. Sie hatte das geschafft, was der Stab hätte erledigen sollen. Er aber hatte versagt. Das war auch mir klar geworden, nachdem ich aus meinem Zustand erwacht war.
Suko hatte noch kein Wort mit mir gesprochen. Das tat er auch jetzt nicht. Er atmete schwer, als würde er eine große Bürde tragen, und als ich den Blick seiner Augen auffing, da überkam es mich kalt, denn eine so große Verwirrtheit hatte ich darin eigentlich noch nie gelesen.
Ich musste ihn zweimal anrufen, bevor er aufmerksam wurde und sich mir zudrehte.
»John, er hat dem magischen Wort widerstanden!«
»Ich weiß, aber nicht der Peitsche.«
»Doch, auch. Sie hat ihn nicht vernichten können.«
»Dafür in die Flucht geschlagen.«
Mein Freund grinste schief. »Er wird wiederkommen.«
»Das denke ich auch. Nur haben wir für den Moment Ruhe, und das tut mir verdammt gut.«
»Glaube ich.« Dann erst deutete Suko auf den toten Kollegen.
»Sieht nach Selbstmord aus.«
»Du hast Recht.«
»Und warum tat er das?«
»Man hat es ihm befohlen, verstehst du?«
Suko brauchte nicht lange nachzudenken, die Erklärung oder der Name lagen ihm auf der Zunge.
»Saladin!«
»Ja, er mischt mit. Er hat mich hier in der Wohnung angerufen. Er hat alles in die Wege geleitet.« Das Sprechen fiel mir wieder leichter, und so klärte ich Suko darüber auf, was ich wusste, und er berichtete danach, wie es dazu gekommen war, dass er mich gefunden hatte.
»Dann können wir unseren Schutzengeln verdammt dankbar sein«, sagte ich.
»Mehr als das.«
Natürlich musste es weitergehen. Suko war anzusehen, dass er intensiv nachdachte, und so stellte er bald die Frage, mit der ich schon länger gerechnet
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