143 - Alraunen-Spuk
seine beiden Helfer zu einem Drink einlud,
teilte er weiteres mit, was das Bild für Larry und Iwan rundete.
»Von ihnen... erhält man nichts umsonst«, mit dem
Wörtchen »ihnen« meinte er die Kräfte, die durch die magischen Alraunwurzeln
wirkten. »Ich sagte es schon - meinen Vorfahren blieb kein Wunsch unerfüllt.
Sie verließen sich auf die Kraft der Alraunen, und die Welt stand ihnen offen.
Doch die Rechnung muß nun beglichen werden. Eine Kraft kann nur aus einer
anderen schöpfen.
»Sie fühlen sich bedroht. Wie äußert sich die Gefahr?«
fragte Larry, während er sein Glas in die Hand nahm und es langsam schwenkte. Die Eiswürfel klapperten gegen das
Glas. Der Duft von Bitter Lemon stieg X-RAY-3 in die Nase.
»Es ist einfach - die Angst«, bekam er zu hören. Lord
Somorrynns Stimme klang wie ein Hauch. Seine helle, blasse Gesichtshaut wirkte
beinahe durchscheinend wie die Flügel eines Schmetterlings. »Es ist wie - eine
tödliche Vorahnung. Man weiß - ohne dies näher beschreiben zu können - es wird
etwas geschehen. Aber welches Gesicht die Gefahr hat, kann man nicht sagen...«
»Wie lange währt dieser Zustand schon, Lord
Somorrynn?« schaltete sich Iwan Kunaritschew in das Gespräch ein. Er hatte die
ganze Zeit über aufmerksam zugehört und machte sich wie sein Freund Larry Brent
eigene Gedanken über diesen Vorfall.
»Angefangen hat es vor knapp einem Dreivierteljahr.
Sie müssen wissen, daß ich - obwohl das Gebäude sich nicht mehr in bestem
Zustand befand - noch immer zusammen mit meiner Frau auf Somorrynn-Castle
lebte. Nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, jemals diesen Besitz zu
verkaufen. Aber dann hatte ich einfach das Gefühl, es hinter den dunklen,
massiven Mauern nicht mehr länger auszuhalten. Ich müßte einfach weg.
Erstaunlich schnell fand ich einen Käufer, der sich für Somorrynn-Castle
interessiert und daraus eine Touristenattraktion machen will. Er möchte dort
Übernachtungsmöglichkeiten schaffen und dann das Ganze als Gruselreise
deklarieren. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als wir den Vertrag unter Dach und
Fach hatten. Instinktiv glaubte ich, geahnt zu haben, daß die tödliche Gefahr
in den Mauern des alten Schlosses hockt. Manchmal war es mir, als ob
unsichtbare Hände nach mir griffen und mir den Hals zudrückten. Ich konnte dann
nicht atmen, der kalte Schweiß brach mir aus, mein Herzschlag raste. Doch als
wir schließlich von einem Teil der Kaufsumme die Apartmentwohnung in Glasgow
erstanden hatten, fingen diese seltsamen Zustände wieder an. Die Unruhe nahm
zu. Ich fühlte mich nirgends mehr sicher und hatte das Gefühl, mich in die äußerste Ecke verkriechen
zu müssen, um mich zu verstecken. Sie werden das Ganze für lächerlich halten
und mich für einen Spinner. Diese Meinung ihrerseits nehme ich gern in Kauf. Es
ist mir egal, was Sie von mir denken. Ich habe nur den einen Wunsch,
mich mit jemand zu unterhalten und nicht allein zu sein...«
»Wenn Sie sagten, daß Ihre Vorfahren geradezu im Geld
schwammen - warum ist es Ihnen dann nicht gelungen, Somorrynn-Castle so weit
wieder herzurichten, daß es attraktiv und bewohnbar für Sie blieb?« fragte
Larry Brent leise.
»Der Reichtum galt nicht mehr für mich. Die anderen,
die vor mir waren, haben es errungen - und sie haben es wieder verbraucht.
Jeder Herr von Somorrynn-Castle hatte die Gelegenheit, neuen Reichtum zu
schöpfen. Wenn er sich auf den Zauber der Alraunen verließ...«
»Kann ich demnach aus Ihren Worten entnehmen, daß Sie
dem Zauber der Alraunen skeptisch oder gar feindlich gegenüber eingestellt
waren?«
»Ja. Das ist richtig.«
»Könnte es dann nicht sein, daß gerade Ihre innere
Einstellung es ist, die Sie glauben oder fühlen läßt, daß Sie Feinde haben, die
es in Wirklichkeit gar nicht gibt.« Larry Brents Stimme klang ernst.
Lord Somorrynn schüttelte den Kopf. Die beiden Freunde
ließen ihren Gesprächspartner nicht aus den Augen, achteten auf jede noch so
verborgen scheinende Geste, auf den Klang seiner Stimme und auf sein Verhalten
allgemein. Lord Somorrynn war ein Mann unbestimmbaren Alters. Er wirkte noch
jugendlich, obwohl er doch schon Mitte Fünfzig sein mußte.
»Nein, Mister Brent. Hier muß ich Ihnen widersprechen.
Die Gefahr ist real. Ich kann sie bloß nicht mit Worten beschreiben. Aber je
näher der Zeitpunkt des nicht mehr Verhinderbaren kommt - desto mehr glaube ich
zu erfassen.«
»Sie haben demnach eine genaue Vorstellung, wann sich
etwas Bestimmtes ereignen
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