143 - Rulfan von Coellen
Trümmerteilen getroffen worden waren; böse Wunden zum Teil, aber keine, die bleibende Schäden zurücklassen würden.
Grandlord Paacival und die Poruzzenkrieger Edi und Rolando hatten sich mit ein paar Kratzern ans Ufer retten können. Chira war nichts geschehen. Allerdings hatten die Explosion und das anschließende Feuer sie gehörig verstört. Die ganze Nacht musste Rulfan den unablässig winselnden Welpen tragen, oder jedenfalls festhalten. In den folgenden beiden Tagen wagte Chira selten, sich weiter als zwei Schritte von Rulfan zu entfernen.
Haynz’ Hausboot brannte vollständig aus. Sie zogen es von Rulfans Einmaster weg und versenkten es in zwei Meter tiefem Uferwasser, um wenigstens das Holz des Unterdecks und den Kiel zu retten. Auf Rulfan Segler brannten Reling und Ruder auf der Steuerbordseite nieder. Mit Hilfe der Dysdoorer konnte der Albino den Brand löschen, bevor die Flammen den Bug und das Ruderhaus vollständig zerstörten. Auch das Segel konnte er retten.
Da sie keine Leichenteile des Mädchens fanden, ging Rulfan davon aus, dass sie die Bombe an Bord gebracht und sich danach aus dem Staub gemacht hatte. Sich zuvor zu zeigen, deutete er als Versuch, Paacival und wahrscheinlich auch ihn auf das Hausboot und in die Nähe der Bombe zu locken.
Zwei Tage später, nach der in Dysdoor üblichen Trauerzeit, äscherte die Sippe des Hauptmanns dessen sterbliche Überreste ein. Die Asche füllten sie in einen Tonkrug, den sie mit Wachs verschlossen. Während der abschließenden Trauerfeier versammelten sich die Einwohner der Pfahlbausiedlung in Haynz’ Garten. Dort hatte der Hauptmann in den letzten Jahren acht Jets auf Holzgerüsten aufstellen lassen; einen kannte Rulfan noch nicht. Diese Sammlung war sein ganzer Stolz gewesen.
»Du hast doch auch David McKenzie gekannt«, flüsterte Rulfan dem Grandlord zu. Der nickte. Rulfan zeigte auf das eindeutig älteste der acht Flugzeuge. »In dieser Maschine flog er vor mehr als vier Wintern von Berlin hierher.« Eine uralte Spitfire thronte auf dem Holzgerüst, angerostet und hundertfach geflickt. »Er tauschte sie gegen die Flugmaschine, mit der Matthew Drax und Aruula vor fünfeinhalb Wintern von Berlin nach Coellen flogen.« Paacival staunte das alte Flugzeug an.
Und auch McKenzie ist nicht mehr, fuhr Rulfan in Gedanken fort. Dieser Krieg fordert schon zu viele Opfer, noch bevor er richtig ausgebrochen ist…
Unter dem Klagegesang einiger Frauen kletterte der jüngste Neffe des toten Hauptmanns auf ein Holzgerüst, auf dem der Jet stand, den Rulfan noch nicht kannte: eine Saab 40 Viggen, wie die Inschrift eines Holzschildes am Fuß des Gerüstes verriet. Unter den acht Sammlerstücken des Hauptmanns sein Lieblingsflugzeug. So jedenfalls versicherte Haynz’ Bruder Glemenz. Der trug sogar auf der Haut Schwarz und heulte während der gesamten Bestattung.
Über einen Querbalken ließ der Junge ein Seil hinunter.
Daran befestigten sie den Krug mit Haynz’ Asche und zogen ihn hoch. Haynz’ Neffe öffnete das Cockpit der Saab, stellte den Krug hinein und schlug das Dach wieder zu. Anschließend gab es noch einen Klagegesang, und danach ging es in den Wald südlich der Ruinen von Dysdoor.
Die Leiche einer Schamanin durfte nicht verbrannt werden.
Auf einer Trage trugen die beiden Poruzzen die Tote bis zu ihrer Hütte. Etwa die Hälfte der Dysdoorer schloss sich der Prozession an. Ankela hatte niemals ungeteilte Beliebtheit genossen. Die Leiche der Waldfrau wurde unter einer Eiche nahe ihrer Hütte begraben. In der Krone des Baumes entdeckte Rulfan ein großes Baumhaus. Ankela pflegte dort oben zu meditieren, wie er später erfuhr.
Die Bestattung ging weitgehend schweigend vor sich. Nur als die Leiche im Boden versenkt war, begannen Edi und Rolando ein Gebet in einem fremden Dialekt zu sprechen.
Anschließend schaufelten sie das Grab zu.
»Werdet ihr zurück nach Ruupod ziehen?«, sprach Rulfan Edi während des Rückwegs nach Dysdoor an.
»Nein. Ankela war uns Mutter, Lehrerin und Geliebte zugleich. Wer wären wir, wenn wir ihren Tod nicht rächen würden? Rolando und ich werden ihre Mörder suchen und töten. So verlangt es das Gesetz unserer Väter.«
»Ihr sucht den Kampf mit einem starken Feind«, antwortete Rulfan. »Ihr habt mit eigenen Augen gesehen, wie er kämpft. Mit Krankheiten, durch die er Menschen seinen Willen aufzwingen kann. Mit Feuerfäusten, durch die er Menschen und ganze Schiffe zerschmettert und in Brand setzt. Auch ich
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