1430 - Der Vampir-Clown
Sie führte ihn nach draußen.
Audrey trug ihre normale Kleidung. Eine rote lange Hose und ein weißes Sweatshirt. Ihre Füßen steckten in braunen Schuhen, an denen noch Dreck klebte. Ihr dunkelblondes Haar lag flach auf ihrem Kopf, als wäre es angeleimt worden. Das Gesicht war sehr blass, das fiel besonders in der dunkleren Umgebung auf.
Die Augen hielt sie geschlossen. So fielen uns sogar die langen Wimpern auf.
»Wenn du jetzt den Eichenpfahl deines Freundes Marek bei dir tragen würdest, John, dann wüsstest du genau, was du zu tun hast.«
Justine fügte noch ein leises Lachen hinzu.
»Den habe ich aber nicht dabei.«
»Schade, ich hätte gern zugesehen, wie du ihn in die Brust getrieben hättest.«
»Verdammt, halt deinen Mund!«
»Warum? Wir stehen auf einer Seite.« Sie blickte über den Sarg hinweg und fasste mit beiden Händen nach dem Unterkiefer der starren Person. Sie zog ihn nach unten, und damit öffnete sich automatisch der Mund, sodass wir die beiden langen Zähne sahen, die aus dem Oberkiefer ragten und wirklich zu einem Blutsauger gehörten.
»Das ist perfekt«, flüsterte sie. »Das ist wirklich perfekt. Hier habe ich eine neue Freundin bekommen, wenn sie erwacht und losziehen will.«
»Dazu wird es nicht kommen.«
Die blonde Bestie richtete sich wieder auf. »Ich weiß, du musst das tun, was du auch bei Walter getan hast.«
»Genau.«
Justine sprach mich lauernd von der Seite her an. »Oder soll ich deine Aufgabe übernehmen? Du brauchst mir nur deine Beretta zu geben, dann ist…«
»Das ist meine Aufgabe!«
»Okay, dann tu es. Oder willst du, dass dieses süße Geschöpf plötzlich durch Horns Cross schleicht und den Leuten hier das Blut abzapft?«
Ich ließ mich von der blonden Bestie nicht provozieren, sondern ging meinen Weg.
Auf keinen Fall durfte ich mich von dem harmlosen Äußeren täuschen lassen. Wenn dieses Geschöpf erwachte, dann wollte es Blut, einfach nur Blut, und das durfte ich auf keinen Fall zulassen.
Ich holte wieder mein Kreuz hervor, das sich leicht erwärmt hatte.
Es lag gut und sicher in meiner noch geschlossenen Hand. Erst wenn es dicht über dem Gesicht schwebte, würde ich die Hand öffnen und mit dem Kreuz den Kopf berühren.
Das Licht reichte aus. Irgendwie hätte mich eine blendende Helligkeit auch gestört. Ich warf einen letzten Blick in das junge Gesicht und dachte daran, wie schlimm es war, dass eine noch so junge Frau diesen grausamen Weg eingeschlagen hatte.
Noch bewegte sich nichts in ihrem Gesicht, obwohl das Kreuz nur eine Handbreit entfernt vor ihren Augen schwebte.
Zwei Sekunden später nicht mehr. Da fiel es auf ihr Gesicht. Die Kette hielt ich fest, und plötzlich zuckte ich zurück, denn zwei Dinge passierten zur selben Zeit.
Der irre Schrei der jungen Frau malträtierte meine Ohren. Ihr Oberkörper mitsamt dem Kopf zuckte in die Höhe, und wäre ich nicht rechtzeitig zur Seite gewichen, hätte er mich getroffen.
Obwohl alles wahnsinnig schnell ging, hatte ich das Gefühl, die Zeit würde sich verlangsamen. Ich konnte noch einen Blick in das entsetzte Gesicht werfen und sah das Mal auf der Stirn. Dann drehte ich mich zu Seite, um den Rest abzuwarten.
Der Sarg stand auf einem kleinen Podest. Ich rechnete damit, dass er umkippte, doch das trat nicht ein. Er blieb letztendlich stehen und rutschte auch nicht ab, als der steife Körper wieder nach hinten fiel und starr in der alten Totenkiste liegen blieb.
Geschafft!
Kein Schrei mehr, kein Wimmern, dafür hörte ich das leise Lachen der blonden Bestie.
Ich kümmerte mich nicht darum. Diese Audrey war jetzt wichtiger. Sie war nicht erst seit ein oder zwei Stunden eine Blutsaugerin.
Bei ihr lag die Zeit länger zurück. Deshalb hatte sich der Umriss des Kreuzes auch regelrecht in ihre Haut eingebrannt und dort tiefe Spuren hinterlassen. Eine Wunde, die trocken war. Nur an den Seiten schimmerte es noch feucht.
Ich drehte mich von diesem Anblick weg. Es war etwas anderes, ob man ein Kreuz anschaute oder diese Hinterlassenschaft sah. Da hatte das Gesicht etwas Böses angenommen, aber die Augen, die noch offen standen, zeigten den Blick einer gewissen Erlösung.
Plötzlich empfand ich es als heiß und stickig hier in der Leichenhalle.
Ich wischte über meine Stirn.
Justine sprach mich an. »He, was ist denn mit unserem Freund Walter hier?«
»Lass ihn liegen.«
»Nicht im Sarg?«
»Hör auf, verdammt!«
»Ich hätte ihn ja auf die Kleine legen können.« Sie hatte wirklich
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