1430 - Der Vampir-Clown
gastiert. In Bexhill. Das ist eine größere Stadt an der Küste. Da will er länger bleiben. Er hat ja zwischendurch noch mal Station gemacht.«
»Danke für den Tipp.«
Ed Bloom hob die Schultern. »Tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht mehr helfen konnte.«
»Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Es reicht aus, was Sie getan haben.«
»Na ja, wenn Sie das sagen.«
»Kommen Sie mit in den Ort?«
»Nein danke, ich möchte lieber zu Fuß gehen.«
»Das sehe ich ein. Wir brauchen nur ein Fahrzeug. Können wir den Volvo irgendwo abstellen?«
»Ich könnte ihn in eine Scheune fahren.«
»Das ist eine gute Idee.«
Justine Cavallo sagte nichts, als ich mir den Schlüssel holte und ihn an den Kollegen weitergab. Dann sagte ich: »Okay, lasst uns fahren.«
»Und wohin?«
Ich schaute die Cavallo an. »Ans Meer. Da soll die Luft ja besser sein als hier.«
Sie grinste mich an. »Ich mache alles mit, Partner…«
***
Die Vorhänge verdeckten die Fenster des alten Wohnwagens, der wirklich noch zu den Holzfahrzeugen zählte, mit dem vor einigen Jahrzehnten die Zirkusleute durch die Lande gereist waren.
Im Innern sorgten die zugezogenen Vorhänge für eine graue, verschwommene Dunkelheit. Selbst das Geräusch der Wellen, die unentwegt auf dem Strand ausliefen, war nicht so laut zu hören, wie es eigentlich hätte sein müssen, denn der Wangen parkte auf einem breiten Strandstreifen und nicht weit von dem kleinen Zirkus entfernt, dessen Zelt eine breite Pyramide bildete und schon aus großer Entfernung zu sehen war.
Das sollte auch so sein. Tagsüber grüßten die im Wind flatternden Wimpel die Menschen, in der Nacht war es die bunte Illumination, die die Umrisse des Zeltes nachzeichnete, damit jeder sofort wusste, wo der Zirkus zu finden war.
Es war eine gute Lage, die sich der Zirkusdirektor zum Abschluss der Tournee ausgesucht hatte. Zuvor war er mit seinen Leuten durch das Land gefahren. An vielen Orten hatten sie Station gemacht und den Beifall der Zuschauer genossen. Jetzt, an der Küste, wollten sie länger bleiben, denn nicht nur Zuschauer aus Bexhill kamen, sondern auch welche aus den nahen Städten Hastings und Eastbourne. Auch die kleinen Seeorte, die dazwischen lagen, durfte man nicht vergessen. Noch waren viele Touristen dort.
Nicht selten regnete es auch. Da waren die Menschen froh, wenn sie eine gewisse Abwechslung geboten bekamen.
So waren die meisten Vorstellungen bis auf den letzten Platz ausverkauft, denn der Zirkus erlebte eine Renaissance. Hier wurde den Zuschauern noch eine echte Leistung geboten. Keiner konnte täuschen oder sich verstecken, und es gab auch keine virtuellen Welten.
Tiere, Artistik und Spaß.
Die drei Dinge passten zusammen, und für den Spaß waren die Clowns zuständig.
Aber es gab auch einen Störenfried. Und das war Corky. Er spielte eine besondere Rolle. Er tauchte immer dann auf, wenn es niemand erwartete. Er war so etwas wie der böser Gnom und Kinderschreck, den niemand mochte, weil er seine Scherze immer zu toll trieb.
Auch zwischen den Reihen erschien er wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Er erschreckte dabei nicht nur die Kinder, sondern auch die Erwachsenen, und sein hässlich klingendes Lachen brannte sich in die Erinnerung der Leute ein.
Zudem war er kein Mensch, der nett aussah. Sein Gesicht verschwand hinter einer weißen Maske, möglicherweise auch dick mit Schminke aufgetragen, und zu dieser immer gleichen Maske wechselte er sein Outfit. Mal hatte er ein grellbuntes Kostüm übergestreift, mal kam er ganz in Schwarz – dann sah er noch schlimmer aus –, oder er erschien in Weiß mit aufgemalten Knochen, ein wandelndes Skelett.
Es sollte sogar Menschen geben, die extra wegen Corky kamen, weil er ihnen mit seinen Auftritten einen so schaurigen Spaß bereitete. Das waren dann die Jugendlichen, die sich vornahmen, ihn zu schnappen, wenn er ihnen zu nahe kam.
Seltsamerweise blieb es beim Vorhaben. Keiner schnappte zu.
Wenn es so weit war, verspürten alle eine schockartige Angst, die sie überfiel. Dann zuckten sie vor Corky zurück, grinsten zumeist dümmlich und mussten sich das schadenfrohe Lachen des Clowns anhören.
Corky war der Star.
Alles lief prächtig bei ihm. Er zog seine Auftritte durch, er war der böse Spaßmacher und lockte die Zuschauer an. Aber privat gab es so gut wie keinen Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen. Corky blieb in der Regel allein und verkroch sich in seinem alten Wohnwagen.
Ihn durfte kein Fremder betreten. Selbst
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