1434 - Todeswünsche
habe ich noch nicht nachgedacht.«
Das nahm ich ihr nicht so recht ab, denn ich ahnte, worauf sie hinaus wollte.
»Gut, Purdy, bevor irgendetwas von deiner Seite aus geregelt wird, erklären Suko und ich uns bereit, Rita zu beschützen. Zumindest für dieses Wochenende. Was danach geschieht, wird sich ergeben. Ich gehe davon aus, dass so einiges im Umbruch ist. Da wird es auch Kämpfe um die Nachfolge eines gewissen Lewis Morrisson geben.«
»Damit rechne ich auch. Einige Kollegen sind bereits in höchster Alarmbereitschaft.«
Ich blieb vor Rita Franklin stehen. »Kommen Sie mit uns?«
Sie schaute hoch. »Ja, das ist wohl das Beste für mich – oder?«, fragte sie uns unsicher.
Ich lächelte. »Im Moment sieht es so aus. Wir möchten nicht, dass sich die Kumpane Ihres Stiefvaters mit Ihnen beschäftigen. Deutlicher muss ich wohl nicht werden.«
»Nein, nein, das ist schon okay. Ich weiß, wer mein Stiefvater wirklich war. Das habe ich zwar erst ziemlich spät erfahren, aber vergessen kann ich es nicht.«
»Darf ich wissen, wo Sie wohnen?«
Rita winkte ab. Dabei erhob sie sich. »Nicht mehr in der Wohnung meiner verstorbenen Mutter. Ich bin zu meinem Freund Lefty gezogen. Er haust zwar auf einem Zimmer, aber wir lieben uns, und da reicht die kleine Wohnung durchaus. Ich konnte einfach nicht in den Räumen bleiben, in denen sich meine Mutter getötet hat.«
»Das kann ich verstehen.«
Wir verabschiedeten uns von Purdy, die nur ein gequältes Lächeln zustande brachte. »Ich denke, dass auch ich am Ball bleiben werde, und sollte es etwas Neues geben, sage ich euch Bescheid.«
»Gern.«
Purdy gab Rita noch den Rat, nicht den Kopf hängen zulassen, und erklärte ihr, dass sie bei uns sehr gut aufgehoben war.
Die junge Frau nickte. In ihren Augen schimmerten Tränen…
***
Der Rover fuhr, aber er rumpelte auch, denn in der Gegend, in der wir uns befanden, schien es keine vernünftigen Straßen zu geben.
Der Weg führte über ein Gelände, das mit Unkraut überwuchert war und darunter einen Bodenbelag aufwies wie ein Vulkan. Da gab es nichts Glattes und Ebenes mehr, man musste sich wirklich zu den Häusern an der Westseite des Geländes hinquälen. Dort wuchsen die beiden kantigen Blöcke hoch, die mehr breit als hoch waren.
Graue Fassaden, Fenster wie viereckige Augen. Mülltonnen standen an der Hinterseite. Wir hörten das Schreien zahlreicher Kinder, die auf dem verlassenen Grundstück tobten. Wer hier lebte, der sah einen Rover, wie wir ihn fuhren, schon als einen Rolls Royce an.
»Ich weiß, dass es mies ist, aber die Buden sind billig. Hier leben viele Menschen, die nur wenig Geld haben.«
»Ja, es gibt diese Inseln – leider«, sagte ich. »Aber kommt man auch von vorn an die Häuser heran?«
»Ja, da ist eine Straße. Kopfsteinpflaster. Sogar ziemlich zerrissen. Hier haben früher mal Lager- und Fabrikhallen gestanden, aber das ist schon lange vorbei.«
»Gut.«
Es parkten noch einige Fahrzeuge in der Nähe. Dort stellten wir auch den Rover ab.
Die Kinder beäugten uns misstrauisch. Es waren die ärmsten Geschöpfe hier. Sogar jetzt sah ich in ihren Augen bereits die Härte, als sie uns anschauten.
Ein älterer Typ mit Ziegenbart und bleichem Gesicht schlich von der Seite her auf uns zu.
»Wen schleppst du denn da an, Schwester?«
»Halt dich da raus. Es sind Bekannte von mir.«
Er schnupperte. »Die riechen nach Bullen.«
»Wonach riechst du wohl?«
»Das werde ich dir schon noch zeigen. Irgendwann lege ich dich flach, verlass dich drauf.« Mehr sagte er nicht, sondern drehte sich um und zog ab.
»Läuft das hier immer so?«, fragte Suko.
»Na ja, man darf eben nicht zimperlich sein.«
»Und Lefty?«
»Will hier weg, wenn er einen anständigen Job hat. Wir sind ja beide froh, dass er seinen Mini unterhalten und die Wohnung bezahlen kann.«
»Was ist mit Ihnen?«
»Ich mache nichts«, erklärte Rita. »Mal jobbe ich, wenn sich was anbietet, ansonsten bleibe ich bei meinem Freund. Und von meinem Stiefvater habe ich nie etwas angenommen, obwohl der mich gern in seinem goldenen Käfig behalten hätte. Aber darauf konnte ich verzichten, ehrlich.«
Das glaubten wir ihr. Rita hatte sich ihre Würde bewahrt. In einer Gegend wie dieser schon eine Leistung.
Die Haustür war nicht geschlossen. Als wir den Hausflur betraten, hatten wir den Eindruck, in eine dunkle Höhle zu gehen, und nur allmählich gewöhnten sich unsere Augen an die herrschende graue Dämmerung.
Mauern, eine Treppe.
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