1438 - Die Urzeit-Falle
ihn herum so aussah.
Er stellte den Motor nicht völlig ab.
Sehr langsam fuhr er weiter. Das Boot schaukelte auf den Wellenkämmen wie eine alte Badewanne. Hin und wieder spritzte Gischt über die Bordwände.
Paul stellte das Ruder fest und verließ seinen Unterstand. Er bewegte sich auf das Heck zu. Seine Hände glitten über die hell lackierte Reling hinweg. Neben einer halbrunden Holzbank am Heck blieb er stehen. Hier war genau der richtige Ort, um den Blick schweifen zu lassen, was er auch tat.
Das Meer gab ihm keine Antwort. Es präsentierte sich wie immer.
Er drehte den Kopf nach links, bis er das sah, weswegen er hierher gefahren war.
Da lag die Insel!
Ihre Felsmasse ragte aus dem Wasser wie eine ewige Warnung an die Seefahrer. Ein dunkles Gestein, und selbst aus dieser Entfernung war zu erkennen, wie aufgerissen und zerfurcht es an manchen Stellen war.
Und doch war etwas anders geworden. Paul Kirikos wunderte sich darüber, dass er nicht sofort darauf gekommen war, aber manchmal sah man eben den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Genau das traf hier zu.
Die beiden mächtigen Steine fehlten!
Paul musste schlucken. Dabei schüttelte er den Kopf, denn er konnte nicht fassen, was hier ablief oder schon passiert war. Er hörte sich selbst flüstern: »Sie müssen doch noch da sein.«
Sie waren nicht da. Das Wahrzeichen dieser Insel hatte sich aus dem Staub gemacht.
Paul Kirikos überlegte, ob sie vielleicht zusammengebrochen waren. Nur hätte es dafür keinen Grund gegeben. In all den langen Zeitspannen hatten sie der Witterung getrotzt, und es hatte hier wirklich in der letzten Zeit keinen Sturm und kein Erdbeben gegeben.
Wo also waren sie? Oder was war mit ihnen geschehen?
Erneut erinnerte er sich an die Worte seines Vaters. Eine ungewöhnliche Strömung im Meer, die von – ja, hatte er nicht auch über irgendwelche Schatten gesprochen?
Der Anblick hatte Paul so durcheinander gebracht, dass er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte, aber er drehte jetzt den Kopf zur Seite, weil er die Insel nicht länger betrachten wollte. Das Meer war ihm jetzt wichtiger. Er kehrte noch mal zum Ruderstand zurück, um sein Fernglas zu holen. Als er es ansetzte, spürte er das leichte Zittern seiner Hände.
Er zwang sich zur Ruhe. Dann suchte er das Meer ab. Nur keine Hektik. Langsam und genau vorgehen, um nichts zu übersehen.
Er holte sich die Wellen heran und auch die Insel, auf der die Lücke klaffte. Durch den Wegfall der beiden riesigen Steinstelen hatte sie ein ganz anderes Aussehen erhalten. Sie war ihm sehr fremd geworden.
Er glaubte daran, dass ihn die Insel nicht mehr zu interessieren brauchte. Etwas war von ihr verschwunden, aber war es tatsächlich auch weg? Und genau mit dieser Frage begannen seine Probleme.
Wieder dachte er an die Worte seines Vaters.
»Auf dem Wasser, Junge, auf dem Wasser…«
Das suchte er nun mit seinen Blicken ab. Die Überzeugung, dass sich unter der Oberfläche etwas versteckt halten könnte, stieg immer stärker in ihm hoch.
Sein Heimatort Stennis geriet in sein Blickfeld. Trotz des Fernglases war es ihm nicht möglich, das Haus seiner Familie zu entdecken.
Für ihn war das Eiland mehr ein breiter, recht heller Schatten, der an der unteren Seite mit einem hellen Schaumbart versehen war, denn dort liefen seit Ewigkeiten die Wellen an.
Er senkte das Glas etwas und wollte eine Linie von der Insel bis zu seinem Boot ziehen. Die Beobachtung sollte in der gleichen Linie verlaufen wie die seines Vaters. Er sah die Bewegungen der Wellen, er verfolgte auch die Schaumspritzer – und zuckte dann leicht zusammen.
Da war etwas!
Die Entdeckung machte ihn atemlos. Er konnte nicht sehen, um was es sich handelte, aber es musste sich dicht unterhalb der Oberfläche befinden, sonst hätte er es nicht erkennen können.
Paul Kirikos hielt seinen Blick genau auf die Stelle gerichtet. Alles andere war plötzlich uninteressant geworden. Sein Gefühl sagte ihm, dass er das gefunden hatte, was er suchte.
Abwarten. Nichts mehr tun. Nicht näher an die Stelle heranfahren.
Wenn es dort etwas gab, dann würde es sich schon zeigen, das stand für ihn fest.
Die Wartezeit entwickelte sich für Paul zu einer Qual. Seine Brust verengte sich. Deutlich spürte er sein Herz schlagen.
Das Fernglas hatte er wieder zur Seite gelegt. Er brauchte es nicht mehr. Ein enger Ausschnitt des Geschehens hätte ihn nur irritiert. Er hoffte darauf, dass sich das Andere in der nächsten Zeit endlich zeigen
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