1441 - Der Seelenfluss
ähnlich Schreckliches sich aus dem Staub machen würden.
Es traf nicht zu. Das helle Licht strahlte hinein ins Leere. Nichts wurde getroffen, was sich bewegt hätte. Aber die Leere wurde für uns jetzt sichtbar. Ebenso wie der Staub, der in winzigen Teilen durch die Strahlen trieb und an manchen Stellen ein helles Glitzern hinterließ.
Wir leuchteten auch in die Runde, ließen die Höhe ebenfalls nicht aus und stellten fest, dass es zwei Stiegen gab, die hinauf auf eine Art Galerie führten, die mit einem Geländer versehen war.
Aber auch dort oben bewegte sich nichts. Bisher wies alles daraufhin, dass hier nichts Schreckliches auf uns lauerte.
Aber es war trotzdem etwas auffällig, das uns misstrauisch machte. Das lag am Geruch. Es hätte eigentlich nach Staub riechen müssen, was letztendlich auch der Fall war. Doch in diesen typischen alten Staubgeruch hatte sich noch etwas Fremdes gemischt, das nicht nur mir aufgefallen war, sondern auch Suko, der einige Male seine Nase hochzog und mich so auf sich aufmerksam machte.
»Was ist das?«, fragte ich.
»Gewürze…«
»Ach?«
»Ja, ich kenne sie. Für dich fremdländische, aber ich habe sie praktisch noch in der Nase. Als ich meine ersten Jahre in diesem Kloster verbrachte, habe ich sie gerochen. Du weißt selbst, dass Vieles im Unterbewusstsein hängen bleibt und man sich plötzlich wieder erinnern kann.«
»Dann muss es auch einen Grund dafür geben. Kann es sein, dass man etwas verbrannt hat?«
»Möglich. Irgendein Pulver. Ich kann dir aber nicht sagen, wofür es genommen wurde.«
»Und im Kloster damals?«
Suko hob die Schultern. »Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, man hat es genommen, wenn man irgendetwas beschwören wollte. Aber nagle mich bitte nicht darauf fest. Der Geruch sagt mir allerdings, dass jemand hier war und seine Zeichen gesetzt hat.«
»Dieser Schrecken? Der Schamane? Dieser Wu? Oder wie immer man ihn auch nennt?«
Suko gab mir keine direkte Antwort. Er sagte nur: »Lass uns nach oben gehen. Mal schauen, ob wir dort etwas finden.«
Ich hatte nichts dagegen. Wir konnten aus zwei Holzstiegen wählen. Suko nahm den rechten Aufgang, ich den linken. Das Licht reichte aus, um alles zu erkennen. Das Holz der Stufen war hier ebenfalls von einer leichten Staubschicht bedeckt. Ein schnelles Hinleuchten reichte aus, um etwas zu erkennen.
Der Staub auf den einzelnen Stufen zeigte zwar keine Abdrücke, aber er war verwischt, als wäre jemand darüber hinweg gerutscht.
Hier war also jemand hochgegangen. Ich nahm es als einen ersten Hinweis darauf, dass dieses Gebäude nicht immer so leer gewesen war, wie es sich uns jetzt präsentierte.
Ich schlich ebenso hoch wie Suko, und zugleich erreichten wir die Galerie. Auch hier ragten von den Seiten her Balken in die Höhe.
Schräge Stützen, die durch Querbalken gehalten wurden. Wir sahen die Fenster jetzt aus der Nähe, und mein Gefühl sagte mir, dass sich hier oben die eigentlichen Vorgänge abgespielt hatten. Ich wunderte mich auch darüber, dass die große Scheune leer war. Man hätte sie wirklich als Lager benutzen können.
Das Dach lag nicht mehr so hoch über uns. Beide leuchteten wir die Schräge an. Im hellen Licht hätten sich Fledermäuse gestört gefühlt, doch kein Tier löste sich von seinem Schlafplatz und flatterte davon. Um uns herum blieb es still.
»Sieht nach nichts aus«, kommentierte ich. »Scheint ein Schuss in den Ofen gewesen zu sein, denke ich.«
»Sei nicht so voreilig.«
»Okay, belehre mich eines Besseren.« Ich glaubte kaum mehr daran, dass wir hier noch etwas finden würden, aber man soll die Hoffnung nie aufgeben.
So dachte auch Suko, der sich von mir wegbewegte und sich dorthin wandte, wo die Dunkelheit noch dicht war und auch nicht durch den Umriss eines Fensters gestört wurde.
Der Lichtstrahl stieß in die Schwärze hinein. Er traf ein Ziel. Es sah zumindest so aus, aber das vergaßen wir ganz schnell, denn plötzlich war es nicht mehr still. Um uns herum klangen plötzlich laute Geräusche und Stimmen auf, mit denen wir nichts anfangen konnten, weil niemand zu sehen war.
Keiner bewegte sich mehr. Wir lauschten nur. Es war ungewöhnlich, etwas zu hören und nichts zu sehen, aber wir wussten, dass jemand in unserer Nähe lauerte. Die Stimmen bildeten wir uns nicht ein, nur verstanden wir nicht, was sie sagten. Es war mehr ein Zischeln oder leises Fauchen.
Ich ging zu Suko hin und blieb neben ihm stehen. Auch er war verunsichert, und wir leuchteten
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