1442 - Die grauen Eminenzen
nicht leichtfiel, als fürchte er, das Geräusch seiner Schritte könne den Frieden des Abends stören.
Unter der offenen Tür blieb er stehen. Die übrigen fünf Mitglieder der Abordnung hatten die Stühle so arrangiert, daß sie durch das große Fenster, das seitlich an die Tür anschloß, den Hang hinab und hinaus aufs Meer sehen konnten.
Gulliver Smog, Bär von einem Mann, seufzte tief. „Hier läßt's sich aushalten", sagte er im Brustton der Überzeugung. „Hierher komme ich zurück, wenn ich mal in den Ruhestand gehe."
Tyly Chyunz machte eine Ungewisse Geste. „Schön, aber für meine Begriffe zu dunkel", meinte er.
Man verstand ihn. Er war im grellen Licht der Sonne Verth aufgewachsen, damals, als die Welt noch in Ordnung war. „Schön ja", sagte Vanda Taglia, die Plophoserin. „Zu weit weg von daheim.
Ich weiß ein Plätzchen keine zweihundert Kilometer von New Taylor, da ist die Natur genauso unberührt und romantisch wie hier."
Laß sie fünf Minuten reden, dachte Julian Tifflor, und schon kommt die Sprache auf die Heimat. Er fühlte sich müde. Es war ein langer Tag gewesen. Mareesh, der innere von zwei Planeten der Sonne Gamquam, war keine Welt, die man einfach anflog, um sich per Boot oder Fähre auf der Oberfläche absetzen zu lassen. Mareesh, mit 1,25-fachem Erddurchmesser, subtropischem bis tropischem Klima und einer nutzbaren Landfläche von gut 220 Millionen Quadratkilometer, war dünn besiedelt.
Aber so schien es den aturre gerade recht, und so wollten sie es auch weiterhin haben.
Wer Mareesh besuchen wollte, der mußte sich bei den aturre anmelden und seinen Wunsch begründen. Die aturre waren die Weisen, die Philosophenfürsten, die über Mareesh herrschten. Es gab ihrer fünfzig oder sechzig, und da sie sich untereinander besprechen mußten, bevor eine Landeerlaubnis erteilt wurde, konnte es geschehen, daß der Bittsteller einen halben, vielleicht sogar einen ganzen Tag warten mußte, bevor er Bescheid erhielt. Über Mareesh staute sich der Verkehr in mehreren übereinander gestaffelten Orbitalniveaus. Pontima Scud war es gelungen, die Landeerlaubnis schon nach acht Stunden zu erhalten. Sein Name schien auf Mareesh Gewicht zu besitzen.
Man hatte ihn und seine Begleiter willkommen geheißen und ihnen ein Gästehaus im Aufsichtsbereich des aturre Gion Shaub Ayn zur Verfügung gestellt.
Der kleine Raumhafen, auf dem das Boot der ARMANPUARA gelandet war, lag jenseits des Berggrats, der sich hinter dem Gästehaus in die Höhe reckte. Die drei Cutenexer und Julian Tifflor mit seinen fünf Begleitern waren mit umfangreichem Gepäck angereist. Man wußte nicht, wie lange der Aufenthalt auf Mareesh dauern würde.
Das Gebäude war zweigeschossig. Im Parterre hatten sich die Cutenexer eingerichtet. In den weitläufigen Räumen des. Obergeschosses hatte man sinnvoll geformte Bauelemente gefunden, aus denen sich jeder das Mobiliar nach eigenem Geschmack zusammenstellen konnte. Mareesh war auf interstellare Kundschaft eingestellt. Die Küchenautomatiken hielten eine große Menge unterschiedlicher Grundnahrungsstoffe bereit, so daß jeder Metabolismus auf seine Kosten kam. Es wirkte alles ungeheuer effizient und durchorganisiert. Man hätte auf den Gedanken kommen können, Mareesh sei eine Touristenwelt, die davon lebte, daß sie Vergnügungssuchenden aus ganz Neyscuur jede Art des aufs Individuelle zugeschnittenen Komforts bot.
Weit gefehlt. Während die ARMANPUARA im Orbit auf die Landegenehmigung für das Raumboot wartete, hatte Pontima Scud seine Gäste über das wahre Wesen der Welt der Besinnung und ihrer Bewohner aufgeklärt.
Auf Mareesh strebte man nach Weisheit, seelischer Ausgeglichenheit und Einsicht in die komplizierten Zusammenhänge des Kosmos, die aturre waren Gurus, wie man sie früher auf der Erde genannt hatte. Sie regierten ihre Aufsichtsbereiche mit lockerer und freundlicher Hand. Ansonsten aber standen sie Einheimischen ebenso wie Fremden zur Verfügung, wenn diese sich in Fragen der Philosophie an sie wandten.
Mareesh war für Neyscuur das Mekka der Lebensweisheit. Man kam hierher, um sich bilden zu lassen.
Die einheimische Bevölkerung des Planeten zählte knapp zwei Milliarden Seelen, wie Pontima Scud wußte, und setzte sich ausschließlich aus Angehörigen des Volkes der Gimtras zusammen. Die Gimtras waren Arthropoiden. In den Videos, die der Cutenexer zeigte, erschienen sie als käferartige Kreaturen mit insgesamt sechs Extremitäten. Das hintere Beinpaar war
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