1446 - Der Eis-Schamane
Eisfläche verschwanden und dorthin gelangten, wo der Wagen stand. Bis zu ihm mussten wir ein recht weites Stück laufen.
»Komm jetzt, John!«
Maxine lief voran. Ich schaute mich noch mal um, weil ich hoffte, etwas zu erkennen, aber die Schneefläche blieb glatt.
Aber das verdammte Knacken blieb bestehen. Und es hörte sich schlimm an.
Erst jetzt merkte ich, dass es nicht leicht war, auf dem Schnee schnell zu laufen. Ich sank tiefer ein, rutschte auch, fiel zum Glück nicht hin und konnte mich immer wieder fangen.
Zuerst hatten wir das Geräusch nur an einer bestimmten Stelle gehört. Das änderte sich nun. Das Knacken und Brechen klang von allen Seiten. Wir fühlte uns eingekreist, und ich kam mir vor, als würde ich auf einer schwankenden Eisplatte laufen, obwohl das nicht stimmte, denn noch hielt die Unterlage.
Die Entfernung zwischen Maxine und mir war gleich geblieben.
Auch die Tierärztin hatte mit dem Laufen Probleme.
Es war kalt auf dem See, aber ich stellte fest, dass ich schwitzte.
Plötzlich brach das Eis weg. Zum Glück nicht dort, wo wir liefen.
Aber rechts von uns und nicht mal so weit entfernt, denn wir konnten es deutlich sehen.
Da stob der Schnee in die Höhe, ein breiter Riss entstand, und grünliches Wasser schwappte an die Oberfläche.
Und diesmal hatte ich nicht nur das Gefühl, auf schwankendem Grund zu laufen, es war tatsächlich so. Und das tat mir verdammt nicht gut. Es war nicht einfach für mich, das Gleichgewicht zu halten. Ich musste schon die Arme ausbreiten und sah nach einem Blick nach rechts, wie das eiskalte Wasser auf mich zusprudelte.
Ich musste schneller werden. Es wurde knapp. Der Boden unter meinen Füßen schwankte immer bedrohlicher. So wurde es zu einer Frage der Zeit, wann das Eis auch unter mir brach.
Das passierte zwei Sekunden später und direkt vor mir. Plötzlich sah ich den breiten Riss und wusste, dass es jetzt auf ein genaues Timing ankam. Innerhalb von Sekunden konnte die Breite um das Doppelte zunehmen, dann hatte ich kaum noch eine Chance, diese Lücke zu überspringen.
Ich nahm Anlauf mit kurzen Schritten – und stieß mich ab. Glücklicherweise rutschte ich nicht nach hinten weg. So konnte ich mir den nötigen Schwung geben und stieß mich fast normal ab.
Es klappte. Bevor sich der Spalt noch mehr verbreitern konnte, hatte ich die andere Seite erreicht. Ich kam mit dem rechten Fuß zuerst auf, rutschte weg und fiel der Länge nach zu Boden, wobei ich durch den Schnee glitt, ihn aufwühlte und mir die feinen, wirbelnden Kristalle die Sicht nahmen.
Es war kein Brechen zu hören. Es entstand kein neuer Spalt, in den ich rutschen konnte. Dafür hörte ich Maxines Stimme in meiner Nähe. Sie war sofort bei mir und streckte mir die Hände entgegen, um mir zu helfen, auf die Füße zu kommen.
»Los, hoch…!«
Es war kein Problem. Ich sah, dass wir nahe am Ufer waren, aber wo es genau begann, war nicht zu erkennen. Erst wenn wir unseren Wagen erreicht hatten, waren wir sicher.
Bis zu ihm war es nicht mehr weit. Einige Meter nur noch, dann hatten wir es geschafft. Wir hielten uns jetzt an den Händen fest wie die Kinder. Es war die Musik des brechenden Eises, die uns vorantrieb. Sekunden später veränderte sich der Untergrund, es war nun besser zu laufen, und das blieb, bis wir den Wagen erreichten.
Beide waren wir ziemlich ausgepumpt. Nicht so sehr wegen der Strecke, es lag an der Furcht, die uns getrieben hatte.
Wir konnten von einem großen Glück sprechen. Hätten wir uns weiter auf dem See aufgehalten, wären wir wohl erwischt worden.
Darüber wollte ich nicht nachdenken.
Maxine lehnte sich an mich. Ihr Gesicht war bleich, was nicht nur an der Kälte lag, denn sie wusste wie ich, dass wir soeben knapp dem Tod entronnen waren.
»Sag was, John…«
»Was willst du denn hören?«
»Irgendwas. Ich will wissen, dass ich noch lebe. Es mag eine Phobie sein, aber für mich ist es das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann, durchs Eis zu brechen und im eisigen Wasser zu versinken. Davor habe ich mich schon als Kind gefürchtet. Wenn ich Albträume bekam, dann haben sie sich immer nur darum gedreht. Und jetzt wäre es beinahe passiert.«
Dass jeder Mensch seine Schwächen hat, erlebte ich hier. Ich nahm Maxine in den Arm. Sie brauchte das jetzt. Am Zucken ihrer Schultern spürte ich, dass sie vor Erleichterung weinte.
»Es ist ja alles gut gegangen«, sagte ich mit leiser Stimme. »Du lebst, ich lebe und…«
Sie richtete sich auf, zog die
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