1448 - Der Kaiser von Karapon
Sekunden. „Es ist allerhöchste Zeit", sagte er mit gedämpfter Stimme. „Soll ich gleich..."
„Warte noch einen Augenblick", befahl Thoy-P'ang und wandte sich an Ge-Liang-P'uo. „Jetzt liegt es an dir. Noch ist sie zu retten. Wenn du mir die Auskünfte gibst, die ich brauche, werde ich persönlich dafür sorgen, daß sie die allerbeste Pflege bekommt. Was weißt du über die Perle Moto?"
„Nicht mehr, als wir in der NARGA SANT und später in der MARA-DHAO sowie hier auf diesem Planeten darüber erfahren haben - von dir und anderen Karaponiden", erwiderte Ge-Liang-P'uo deprimiert. „Glaube mir, Thoy-P'ang, wenn ich etwas wüßte, dann würde ich es dir sagen. Dao-Lin-H'ays Leben und ihre Gesundheit sind mir so wichtig, daß ich dir dafür jedes Geheimnis verraten würde."
„Du weißt also nichts?"
„Jedenfalls nichts über die Perle Moto."
„Dann brauchen wir dich nicht mehr", sagte Thoy-P'ang kalt und gab den an der Tür stehenden Wachen einen Wink. Sie zogen ihre Waffen und richteten sie auf Ge-Liang-P'uo. Die beiden, die die Kartanin bisher festgehalten hatten, traten zurück.
Ge-Liang-P'uo schloß die Augen. Sie konnte nichts tun. Sie konnte nur hoffen, daß man wenigstens Dao-Lin-H'ay retten würde. Thoy-P'ang würde auch nach der Erschießung Ge-Liang-P'uos nicht glauben, daß Dao-Lin-H'ay tatsächlich nichts wußte. Er würde annehmen, daß Ge-Liang-P'uo sich geopfert hatte. Aber vielleicht kam er durch dieses Ereignis wenigstens zu dem Schluß, daß es keinen Sinn hatte, den Kartanin auch weiterhin nach der bisher angewandten Methode auf den Pelz zu rücken.
Die Wachen schössen nicht. Ge-Liang-P'uo spürte erneut harte Fäuste, die sie festhielten, und als sie die Augen öffnete, sah sie, daß man Dao-Lin-H'ay hinaustrug. „Wo bringt ihr sie hin?" fragte sie. „Verratet mir doch wenigstens, ob ihr sie retten werdet!"
Thoy-P'ang drehte sich um und lächelte spöttisch. „Wenn sie wirklich die Kräfte hat, die man ihr nachsagt, wird sie es dir mitzuteilen wissen!" bemerkte er.
Ge-Liang-P'uo schwieg. Sie blieb regungslos stehen und wartete, bis der Kaiser samt seinen Wachen wieder verschwunden war. Dann ließ sie sich auf ihre Pritsche sinken.
Thoy-P'ang hatte einen Fehler gemacht.
Mit seinem letzten Satz hatte er zumindest eines verraten: Man würde Dao-Lin-H'ay medizinisch versorgen. Denn nur eine lebendige Dao-Lin-H'ay konnte telepathische Nachrichten versenden.
Sie legte sich hin und schloß die Augen.
Nicht, weil sie schlafen wollte - das konnte sie sich jetzt nicht leisten. Jetzt ging es darum, Dao-Lin-H'ays Impulse keinen Augenblick lang zu verlieren.
*
Es dauerte viele Stunden, und Ge-Liang-P'uo geriet durch Dao-Lin-H'ays Fieberträume des öfteren in Verlegenheit, denn sie wußte häufig nicht, was echt und was unecht war. Sie bemühte sich, einiges zu übersehen oder wenigstens schleunigst wieder zu vergessen, denn sie achtete und respektierte Dao-Lin-H'ay samt ihrer Verschwiegenheit über gewisse Geheimnisse aus alter Zeit.
Es hatte Gelegenheiten gegeben, bei denen sie Dao-Lin-H'ays Verschlossenheit verflucht hatte.
Es war ein seltsames Schicksal, das sie miteinander teilten. Durch das Zusammenwirken vieler Zufälle waren sie gemeinsam mit elf anderen Kartanin in die Tarkan-Flotte der Galaktiker und mit dieser in das Statisfeld geraten, dem sie es verdankten, daß sie diese Zeit erleben durften.
Es war eine zweifelhafte Gnade, denn eine allzu angenehme Zeit war dies nicht.
Aber gab es denn überhaupt eine angenehme Zeit in der Geschichte ihres Volkes?
Jedenfalls waren sie hier, Jahrhunderte von jener Zeit entfernt, in der sie geboren waren, und selbst wenn sie eine Möglichkeit gekannt hätten, in die Vergangenheit zurückzukehren, so hätten sie darauf verzichtet.
Der Hundertjährige Krieg war vorüber, seine Schlachten waren geschlagen, der Schmerz und die Trauer jener Zeit überwunden. Nun galt es, diese Zeit zu meistern und eine neue Bedrohung vom Volk der Kartanin abzuwenden. Im Augenblick waren sie nicht sehr erfolgreich, aber sie würden nicht aufgeben - niemals. Irgendwie würde es ihnen gelingen, die Perle Moto zu rauben und nach Kartan zurückzukehren.
Was würde dann geschehen?
Ge-Liang-P'uo schob diesen Gedanken von sich. Aber je deutlicher sie spürte, daß Dao-Lin-H'ays Zustand sich besserte, desto optimistischer wurde sie.
Eine gesunde Dao-Lin-H'ay war eine sehr gute Verbündete, auf die man sich verlassen konnte, auch wenn immer eine
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