1450 - Insel der Vampire
das war ihr Traum – würde sie so viel Blut schlürfen können, wie sie wollte.
So aber würde sie wieder warten müssen, und sie hoffte, dass die Zeit diesmal nicht zu lang wurde.
Die Höhle lag an einer perfekten Stelle. Rosanna konnte gut nach draußen schauen, aber von außen war der Eingang nicht so schnell zu finden, weil ein dichtes Gehölz so gewachsen war, dass er Teile von ihm verdeckte.
Das Meer war ihr Ziel und würde es auch bleiben. Sie liebte die Bewegungen der Wellen, und es wurde immer wichtiger für sie, etwas zu bauen, womit sie die Insel verlassen konnte.
Jetzt war Karim bei ihr. In ihm hatte sie einen Helfer gefunden. So nahmen ihre Pläne allmählich konkrete Gestalt an. Sie hatten beide Holz zusammengetragen, um sich damit so etwas wie ein Floß zu bauen. Es sollte sie hinaus aufs Wasser bringen. Allerdings nicht zu weit, sondern nur in die Nähe der Schiffe, die hin und wieder vom Eingang der Höhle aus zu sehen waren.
So wie jetzt!
Rosanna hockte im Halbdunkel ihres Verstecks und beobachtete das kleine Schiff schon länger. Es war nicht dunkel, es war nicht richtig hell. Der Himmel über dem Meer zeigte ein dichtes Grau, das Rosanna gefiel, denn das Licht der Sonne hasste sie.
Sie ließ das Schiff nicht aus den Augen. Es verhielt sich ungewöhnlich, das wusste Rosanna, weil sie schon des Öfteren welche beobachtet hatte.
Waren es Fischer?
Wenn ja, dann verhielt sich die Besatzung zumindest nicht so.
Normalerweise blieben die Fischer nicht auf einer Stelle. Sie fuhren langsam ein gewisses Gebiet ab, wobei sie ihre Netze durch die See zogen. Das geschah bei diesem Segler nicht.
Nachdem die Vampirin es schon eine Weile beobachtet hatte, tat sich doch etwas. Es wurde ein Segel gesetzt. Die Männer, die dies taten, waren auf diese Entfernung leider nicht zu erkennen.
Rosanna leckte sich die Lippen. Ihr Instinkt meldete sich. Die dunklen Augen fingen an zu glänzen. Sie wusste, dass die neue Beute und damit das Blut nicht weit entfernt war.
Jetzt hieß es einfach nur warten und Acht geben. Möglicherweise stand ihr das Schicksal zur Seite, und das war in ihrem Fall der Wind, der jetzt in das Segel fuhr und es blähte.
Langsam nahm das kleine Schiff Fahrt auf.
Und damit wurde es interessant. Zuerst sah es so aus, als wollte es an der Insel vorbeisegeln. Doch das traf nicht zu. Als etwas Zeit vergangen war, stellte sie fest, dass die Besatzung das Schiff auf die vergessene Insel zu lenkte.
Freiwillig oder nicht?
Rosanna konnte sich keinen Reim darauf machen. Etwas stimmte da nicht. Warum wurde die Insel angesteuert? War sie in der letzten Zeit zu einem besonderen Flecken Erde geworden?
Das ging ihr nicht aus dem Kopf. Da brauchte sie nur an die beiden Männer zu denken, die zu ihrer Beute geworden waren. Es war perfekt gewesen. Das Blut des einen hatte sie gesättigt. Nun, der andere Mensch war entkommen, wenn auch mit viel Glück, und jetzt dachte sie darüber nach, ob diese Flucht etwas mit dem kleinen Schiff zu tun hatte, das der Wind immer näher auf die Insel zu trieb.
Es war kein Versehen. Davon ging sie aus. Die Besatzung musste einen Grund dafür haben, und möglicherweise hatten die Menschen auch etwas zu verbergen.
Es wurde spannend.
Rosanna merkte, dass die Gier wieder in ihr hochstieg. Das Blut war so wichtig für sie, und jetzt hatte das Schicksal ihr Flehen erhört. Ein Schiff fuhr nicht von allein. Sie hoffte, dass sich zumindest zwei Menschen darauf befanden.
Sie hatte Zeit, bis ihre Beute das Ufer erreichte. Einen Hafen gab es nicht. Die Wellen mussten das Schiff schon an den Strand treiben, wenn man hier an Land gehen wollte.
Und das würde erreicht werden, wenn die Dunkelheit allmählich einsetzte. Genau richtig.
Hinter sich hörte sie ein tiefes Stöhnen. Sie wusste, dass es Karim war. Er hatte sich im Hintergrund der Höhle verkrochen, weil ihn dort die Dunkelheit mehr schützte. Er ließ sich mit ihr, dieser sehr alten Vampirin, nicht vergleichen. Zwar gehörte er bereits dazu, doch einen Biss hatte er noch nicht ansetzen können.
Deshalb würde die Sucht in ihm toben. Sie würde zu einem wahren Rausch werden, den er nur stoppen konnte, wenn er den roten Lebenssaft schluckte.
Rosanna drehte sich um.
Sie sah jetzt eine schattenhafte Gestalt, die weiterhin ihr Stöhnen ausstieß. Es hörte sich jämmerlich an, und sie konnte nichts für ihn tun. Noch nicht.
Die Höhle war hoch genug, um normal gehen zu können. Rosanna näherte sich dem Hintergrund.
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