1454 - Solo für den Satan
wartete Glenda in der unteren Etage zusammen mit dem Besitzer, der mal bei der Metropolitan Police gearbeitet hatte und natürlich von den alten Zeiten erzählte, in denen alles besser gewesen war.
»Das mag sein«, sagte Glenda.
»Es ist auch so, Miss Perkins. Ich kann Ihnen sagen, dass die Brutalität längst nicht so groß gewesen ist.« Er nickte ihr bedeutungsvoll zu. »Heute zählt ein Menschenleben ja nichts mehr. Denken Sie mal an den Terrorismus, der noch hinzugekommen ist.«
»Da haben Sie leider Recht.«
»So bleibe ich lieber in meinem beschaulichen Leben, Miss Perkins.«
Glenda wollte ihn auch nicht davon abbringen. Sie schaute auf, als sich die verglaste Schwingtür zum Treppenhaus öffnete und Chris Tucker erschien.
»Oh«, sagte Glenda nur. »Sie haben sich aber verändert.«
»Ja, nicht?«
Seine Haare waren etwas kürzer geworden. Er hatte zudem geduscht und sich andere Klamotten übergestreift. Der lange Mantel lag im Zimmer. Jetzt trug er eine dicke Jacke aus Stoff und erklärte, dass sie ihm von den Wirtsleuten hier überlassen worden war.
»Ja, sie gehörte unserem Sohn. Er hat sie zurückgelassen, bevor er in den Irak ging.«
»Soldat?«
»Klar. Oder leider.« Der ehemalige Kollege lächelte bitter.
»Können wir?«, fragte Chris.
»Ja, mein Wagen steht in der Nähe.«
»Dann viel Vergnügen!«, rief ihnen der Besitzer noch nach, und sie bedankten sich.
»Das ist ein netter Mensch«, sagte Chris und schaute Glenda an.
»Sollen wir die Förmlichkeiten nicht lassen?«
»Gern. Ich bin Glenda.«
»Und ich Chris.«
Auf der Fahrt in den Londoner Osten erzählte Chris von sich und dass er irgendwann mal sesshaft werden wollte. In einem kleinen Atelier im Süden Frankreichs, wo das Licht besonders gut war. Dort zumindest zehn Jahre seines Lebens zu verbringen war sein großer Traum.
Sie sprachen auch über die Musik dieser Ricarda Hades, und Chris gab zu, dass dieser Underground Rock nicht sein Fall war.
»Die Texte sind mir zu böse und negativ. Tut mir Leid, aber das muss ich so sagen.«
»Ich denke auch so.«
Er lachte. »Dann dürften wir überhaupt nicht auf diesen Friedhof gehen.«
Glenda schmunzelte. »Man muss sich schließlich informieren.«
»Stimmt auch wieder.« Er warf ihr einen schrägen Blick zu. »Ist das dein alleiniges Motiv?«
»Nein, das ist es nicht. Ich will wissen, was hinter dieser Person steckt. Mir will es nicht in den Kopf, dass ein Mensch sich so sehr zur Hölle und zum Teufel hingezogen fühlt. Damit habe ich meine Probleme, und deshalb möchte ich mir diese Ricarda gern mal anschauen. Und ich sehe dich auch als einen Zeugen an. Du hast diese Frau aus der Kapelle kommen sehen und kannst sie identifizieren. Deshalb bist du wichtig.«
»Denk daran, dass ich sie nur von hinten gesehen habe.«
»Schon. Etwas wird doch in deinem Gedächtnis hängen geblieben sein, nehme ich an.«
»Ich hoffe es.« Er schaute aus dem Fenster. Sie überholten einen Lastwagen, der Eisenträgergeladen hatte. »Was ist eigentlich mit deinen Kollegen los? Sind sie auch unterwegs?«
»Bestimmt.« Glenda lächelte. »Es ist immer besser, wenn man von zwei Seiten zuschlagen kann.«
»Stimmt.«
Sie kamen gut durch die Stadt, und das Wetter hatte sich auch gehalten. Aus keiner der Wolken rieselte Schnee. Es regnete auch nicht, aber die grauen Wolkenbänder verschwanden auch nicht.
Das Konzert würde am frühen Abend beginnen und sich bis in die Dunkelheit hinziehen. Keine Sonne, keine Wärme. Es war mehr ein Versuch, um diese Jahreszeit ein Open-Air-Konzert abzuhalten, und so etwas konnte auch nur die ganz harten Fans anlocken.
Glenda hatte sich den Weg eingeprägt. Sie fuhren oft dicht an der Themse entlang. Die Schnellstraße mied sie, und auch so kam sie zum Ziel, das zwischen Barking & Dagenham und Creekmouth lag.
Chris Tucker war immer schweigsamer geworden. Glenda sah, dass er in Grübeleien verfallen war, und wollte wissen, worum sich seine Gedanken drehten.
»Vor hier ist es ja nicht mehr weit bis zu dieser Kapelle. Ein paar Meilen östlich. Alles scheint sich hier zu konzentrieren. Diese Sängerin existiert, aber man bekommt sie nicht zu fassen, und das ist nicht gut. Glaubst du nicht, dass sie euch ein Schnippchen schlagen könnte?«
»Keine Ahnung, Chris. Oder spielst du darauf an, dass wir nicht herausgefunden haben, wo sie wohnt?«
»Genau darauf.«
»Das ist ein Problem. Es gibt bei uns keine Anmeldepflicht. Damit muss man sich abfinden.«
»Hast du denn
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