1455 - Das Gewissen des Henkers
Rifkins.«
»Und?«
»Man kann den Eindruck haben, dass sie den Henker sogar mögen.«
»So falsch ist das wohl nicht, wenn er ihnen das Leben gerettet hat.«
»Gut, abgehakt. Bist du auf dem Weg ins Büro?«
»Nein, das bin ich nicht.«
»Ach. Und warum nicht?«
»Ich habe die Warrens gefunden.«
Suko ließ sich selten überraschen, in diesem Fall aber war er es.
»Stimmt das oder…?«
»Es stimmt.« Ich erklärte Suko, wo Fiona und ich uns befanden, und teilte ihm auch mit, wer uns die Auskunft gegeben hatte.
»Na, dann kann ich Bill ja Bescheid sagen, dass er nach diesem einen Namen nicht mehr zu suchen braucht.«
»Kannst du.«
»Bill ist sowieso schon sauer.«
»Ich werde es wieder gutmachen.«
»Okay. Brauchst du mich?«
»Nein, denn der Henker scheint nicht mein Feind zu sein, obwohl er vor dem Kreuz Respekt gezeigt hat und davor geflohen ist.«
Auf diese Antwort hin fiel Suko eine Frage ein. »Wie siehst du ihn überhaupt an?«
»Das ist schwer zu sagen. Ich könnte ihn mir als einen Zwitter vorstellen.«
»Wie das?«
»Wie jemand, der nicht so recht weiß, wohin er gehört. Entweder auf die eine oder auf die andere Seite. Ich sehe ihn nicht nur als negativ an. Er hat Schuld auf sich geladen. Er will sein Gewissen erleichtern, und das geschieht bei ihm nicht durch Mord und Totschlag. Im Prinzip nicht, wohlgemerkt. Bei den beiden Toten, die du gesehen hast, sieht es wohl etwas anders aus.«
»Du sagst es. Einmal das Beil in den Rücken und zum anderen Mal in die Brust. Perfekt geworfen, auch eiskalt. Da kannte der Henker kein Pardon, und deshalb denke ich, dass er trotz allem gefährlich ist, obwohl er sein Gewissen reinigen will.«
»Gut, wir reden später darüber. Jetzt schaue ich mir zunächst die Geschwister Warren an.«
»Tu das. Sollte was passieren, du weißt schon…«
»Und ob.«
Fiona Lester lehnte am Rover. »Fertig mit dem Telefonieren?«
»Ja.«
»Dann bin ich mal auf die Warrens gespannt.«
»Ich ebenfalls.«
Der Kittelträger wartete an der offenen Tür, die schon mehr ein Tor war, durch das man das rückwärtige Areal des Theaters betreten konnte, was wir auch taten.
»Die Bühne brauchen Sie ja nicht zu sehen, oder?«
»Nein, Mister. Bringen Sie uns zu den Warrens. Dann sind wir völlig zufrieden.«
Er wollte bestimmt wissen, was die Geschwister mit der Polizei zu tun hatten, aber diese Frage traute er sich nicht zu stellen.
Wer bei einem Theater an eine hell erleuchtete Bühne denkt und an Schauspieler, die sich dort tummeln, der wäre enttäuscht gewesen, wenn er das Theater von der Seite aus kennen gelernt hätte, die wir beschritten. Es war der Weg hinter der Bühne, und da spielte die Realität die Hauptrolle. Keine glänzenden Kulissen. Dafür Mauerwerk an der linken Seite. Es roch nach Farbe und auch feucht.
Der Kittelmensch ging vor uns her und bog in einen Gang ein. Dabei klärte er uns darüber auf, dass sich dort die Garderoben befanden.
»Sehr schön«, sagte ich.
Vor einer Tür blieb der Mann stehen. »Dahinter finden Sie die Garderobe der Warrens.«
»Danke.«
»Brauchen Sie mich noch?«
»Ich denke nicht.«
Das gefiel dem Kittelträger zwar nicht besonders, aber er zog sich zurück.
Fiona lächelte und hob dabei die Schultern. »Hm, ich bin gespannt, ob uns dieses Paar weiter bringt.«
Ich klopfte. Es war von innen nichts zu hören. Davon ließ ich mich nicht abschrecken und öffnete die Tür trotzdem.
Es war eine große Garderobe und keine für eine oder zwei Personen. Mehrere Stühle und Schminktische standen an der Wand. Darüber hingen die Spiegel, die ebenfalls eine Front bildeten, und neben einem hell gestrichenen Spind standen die Warrens. Sie waren dabei, wieder in ihre zivile Kleidung zu schlüpfen.
Elsa Warren zog ihre Jeans über die Hüften und drehte sich dabei um. Ihr Bruder Tim war bereits fertig. So hatte er genügend Zeit, sich auf uns zu konzentrieren.
Dass die beiden Geschwister waren, sah man ihnen an. Die Gesichtsschnitte, die Form der Nasen, bei Tim etwas kräftiger, und auch die dunkelblonden Haare gehörten zu diesem Bild.
Tim sprach uns an. »He, wer sind Sie?«
»Wir wollten zu Ihnen«, sagte ich.
»Und?«
Auch Elsa schaute recht misstrauisch aus der Wäsche. Daran änderte selbst Fionas Lächeln nichts.
Mir entging nicht, dass es eine gewisse Unsicherheit bei ihnen gab.
Sie schienen ein Problem zu haben, und mir kam der Verdacht, dass etwas Bestimmtes bereits hinter ihnen lag.
Ich wollte ihr
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