146 - Der Schatz in der Tiefe
Kodenummer der französischen Seepostbehörde, sprach überaus deutlich und verkehrte mit dem Beamten in einer Mischung aus Ziffern und Wörtern des Funkalphabets. „Merci!" sagte er schließlich und flüsterte: „Wenn du sprichst, diesen Knopf drücken. Loslassen, wenn der andere sprechen soll. Sage ihm, daß es das Simplex-Verfahren ist. Hast du begriffen?"
Er gab ihr den Hörer, als er das Freizeichen hörte. Winzige Lämpchen blinkten im Funkgerät. Die Frequenzanzeige flimmerte hellgrün. Charlie griff sich an den Kopf und holte aus der Bar die zweite Calvadosflasche. Er goß ein Glas voll und setzte sich vor die Steuerung. Ihm war fast übel. Er nahm einen tiefen Schluck und versuchte mit fliegenden Fingern, sich eine Zigarette anzuzünden. Voller Verwunderung, die sich mit jedem Satz noch mehr steigerte und schließlich in eine nie gekannte Angst mündete, hörte er Roquette zu.
„… muß unbedingt Monsieur Hunter sprechen. Sagen Sie ihm, daß Roquette Boussague aus Le Castellet seine Hilfe braucht. Bitte! Sagen Sie ihm auch… ich bestehe darauf. Ich weiß, wie spät es ist. Es geht um einen Dämon, junge Frau! Ich halte einen Seefunk-Telefonhörer in der Hand, und solange ich den Schalter drücke, höre ich Sie nicht… ja. Ich warte."
Sie sah ihn mit dem Blick eines angeschossenen Rehs an und streckte die Hand nach dem Glas aus. Immer wieder bewegte sich ihr Daumen auf der Sprechtaste. Dann leuchteten ihre Augen auf. „Dorian! Gott sei Dank! Hör zu, ich spreche von einem Schiff. Seefunk. Wenn ich Ende sage, mußt du sprechen. Klar? Also… wir sind auf der RAYON DU PHARE, Frankreich, Nummer…", sie las es von dem kleinen Messingschild neben der Steuerung ab, „und im Hafen von Porquerolles. Eine der Hyere-Inseln, unweit von Le Castellet. Aus einem uralten ägyptischen Sarkophag ist ein Dämon herausgefahren und hat unseren Freund, einen Taucher namens Raymond Khedoud, riesengroß und kräftig wie ein Bär, übernommen. Vor zwei Stunden etwa. Ja?"
Sie hörte konzentriert zu, und Charlie begann sich zu fühlen, als sei er Zeuge eines dreidimensionalen Alptraums. Wieder sprach Roquette: „Hilf mir, Dorian. Es ist ein alter Dämon. Dorsan und seine Schar sprachen oft von ihm, als er schon hier lag, im Wrack eines römischen Schnellseglers. Nimm einen Leihwagen von Nizza. Zwischen Cavalaire sur Mer und Porquerolles gibt's regelmäßige Fähren. Muß ich dir noch mehr erzählen? Ja. Ich bin geschützt. Mein Freund auch. Aber die Inselbewohner. Es kommen Touristen und andere Boote."
Wieder hörte sie angespannt zu, was jener Dorian sprach. Sie trank noch einen Schluck.
„Wir haben genug Geld. Für dich ist Platz auf der RAYON. Ich muß Charlie einweihen. Er glaubt mir natürlich nichts. Ich kann's verstehen. Hilfst du mir?"
Schweigen. Lauschen, dann: „Ich danke dir. Du könntest morgen abend oder übermorgen mittag hier sein. Wir warten auf dich. Weihwasser und Kreuze werden hier nicht helfen, Dorian. Aber das weißt du besser als ich. Ich habe nur gut aufgepaßt, damals…"
Sie nickte und gab nach einigen Sekunden Charlie den Hörer zurück. Er sah, daß sie sich ein wenig entspannte. Er bedankte sich nach einer Weile bei der Funkstelle und schaltete das Gerät aus. Dann verbrannte er sich die Finger an der zweiten Zigarette und murmelte:
„Das ist ja alles Wahnsinn, Roquette. Sag mir - was war das?"
Sie ließ ihre Schultern nach vorn sinken und flüsterte: „Geh ins Bett. Ich werde dir alles erzählen.
Du mußt mich ganz fest halten in dieser Nacht. Es wird dir nichts von dem, was ich zu erzählen habe, gefallen. Aber es ist die Wahrheit."
Er nickte. Wieder bewies er, daß er ein Mann von Klugheit, Verständnis und einiger Phantasie war. Roquette tat weitere geheimnisvolle Dinge. Sie klebte mit Haftband einen
ankh
an die Kabinentür, einen zweiten auf das Vorschiff, den dritten hängte sie an einer dünnen Silberkette im Niedergang zum Unterschiff auf. Schweigend machte Charlie das Bett, nahm vorsichtshalber die Flasche mit und drosselte die Lautstärke des Radios. Einige Minuten später kletterte Roquette herein, kuschelte sich an ihn und zog seinen Arm unter ihre Schulter. Dann fing sie zu erzählen an, und er erfuhr eine Geschichte, die völlig unglaubwürdig klang. Aber in einem Winkel seiner Überzeugung ahnte er immer stärker, daß Roquette die Wahrheit sprach.
Roquette fing ihre Erzählung an dein Punkt an, an dem sie mit Dorian Hunter, der sie aus einem somnambulen Zustand
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